Allein 2013 wurden 367 Nashörner im Krügerpark getötet. Die Regierung erwägt nun unkonventionelle Schritte – doch dagegen erheben sich kritische Stimmen.

Johannesburg - Im Krügerpark herrscht Krieg. Kein Tag vergeht, an dem in dem südafrikanischen Nationalpark von der Größe Hessens keine Kugeln schwirren. Sie gelten entweder einem jener archaisch wirkenden Dickhäuter, deren Hörner auf dem Schwarzmarkt bis zu einer Million Dollar einbringen. Oder sie werden zwischen Wildhütern und Wilddieben abgefeuert, die sich hier regelrechte Gefechte liefern. Allein in diesem Jahr wurden in dem Reservat bereits 367 Nashörner erledigt: Mehr als einmal täglich stolpern die Ranger über ein totes Rhinozeros, das mit einer klaffenden Wunde über dem Maul auf dem staubtrockenen Boden liegt. „Wir drohen den Krieg zu verlieren“, sagt Südafrikas Umweltministerin Edna Molewa.

 

Die südafrikanische Regierung ist keineswegs untätig

Achtungserfolge gelingen nur selten. Ende vergangenen Monats erschossen Mitglieder der Rhino-Task-Force im Krügerpark vier Wilddiebe, drei weiteren gelang die Flucht. Allein in diesem Jahr wurden in Südafrika 167 Personen festgenommen, die mit dem kriminellen Hornhandel nach Fernost in Verbindung stehen sollen. Trotzdem schoss die Zahl der landauf, landab erlegten Tiere von 83 im Jahr 2008 bis 668 im vergangenen Jahr weiter in die Höhe. Bereits in diesem Jahr könnte die Schallmauer zur Tausendergrenze durchbrochen werden, warnen Tierschützer: Wenn es so weiter gehe, würde der letzte der afrikanischen Dickhäuter bis in 20 Jahren verschwunden sein.

Untätigkeit kann man der Regierung in Südafrika, wo 90 Prozent aller noch verbleibenden Breit- und 40 Prozent aller Spitzmaulnashörner leben, nicht vorwerfen. Allein im Krügerpark wurden 400 Ranger stationiert, die sich ganz dem Kampf gegen die Wilddiebe widmen, zweihundert die Grenze zu Mosambik sichernden Soldaten stehen ihnen zur Seite. Die Wildhüter haben in den vergangenen vier Jahren über zwanzig Wilderer getötet und Dutzende verhaftet: Doch jedem ausgeschalteten Wilddieb folgen mehrere verarmte und verzweifelte Glücksritter nach. „Solange wir die Nachfrage in Ländern wie China und Vietnam nicht in den Griff bekommen, werden wir den Krieg nie gewinnen“, ist man in der Kapstädter Peace Park Stiftung überzeugt.

Freigabe des Handels mit den Hörnern?

Ausprobiert wurde auch in dieser Hinsicht schon vieles. Man lud vietnamesische Offizielle in den Krügerpark ein, damit sie sich ein Bild von dem Drama machen können. In China und Vietnam wurden Erhebungen zum Profil der Konsumenten in Auftrag gegeben, um gezielte Kampagnen planen zu können: Es soll sich zumeist um erfolgreiche Geschäftsleute handeln, die das vermeintlich Wunder bewirkende Nashornpulver schon allein aus Prestigegründen einnehmen. Schließlich wurden Grenzschützer auf Flughäfen ausgebildet, um sie im Aufspüren bereits zu Pulver verarbeiteten Hörner zu spezialisieren. Genutzt hat alles nichts, wie die ansteigenden Abschusszahlen zeigen: „Jeden Tag weiter dasselbe zu tun, hilft uns auch nicht weiter“, sagt Ministerin Edna Molewa.

Verzweifelt will es Pretoria nun mit zwei neuen, an konträren Polen der Reaktions-Skala angesiedelten Strategien versuchen. Auf politischer Ebene fordert die Regierung eine Freigabe des Handels mit den Hörnern, während sie gleichzeitig grünes Licht für Experimente vor Ort gegeben hat, die Hörner mit Giftstoffen zu behandeln. Beide Maßnahmen haben leidenschaftliche Verfechter, werden gleichzeitig jedoch von Kritikern nicht weniger leidenschaftlich als kontraproduktiv oder gar kriminell verworfen.

So wertvoll wie Gold oder Kokain

Für Ministerin Molewa steht fest: Nur eine drastische Reduzierung der für ein Horn bezahlten Preise kann das Große Schlachten stoppen. Für ein Gramm des Nasenfortsatzes wird derzeit mehr als für ein Gramm Gold oder Kokain bezahlt – für verarmte afrikanische Wilderer ist der Anreiz fast unwiderstehlich. Dem inflationären Preis werde am ehesten durch eine drastische Vermehrung des Angebots begegnet, geben Experten wie der australische Ökologe Duan Biggs der Ministerin Recht: „Es ist der Handelsbann, der die Nashörner unnötig sterben lässt.“

Als Alternative schlägt Biggs einen von einer Zentralen Verkaufsbehörde streng kontrollierten Markt vor. Das Angebot an Nashornpulver soll dadurch gesichert werden, dass den Rhinozerossen regelmäßig das Horn gestutzt wird: Der Nasenfortsatz wachse von alleine wieder nach. Nach Biggs Schätzungen reichten die Hornspäne von 5000 Rhinozerossen aus, um die derzeitige Nachfrage abzudecken. Da in Afrika gegenwärtig noch rund 20 000 Nashörner leben, gebe es „noch einen ausreichenden Spielraum“, so der Ökologe.

Veterinäre spritzen Gift in die Hörner der Tiere

Kritikern verschlägt dieser Vorschlag den Atem. Die Strategie erfordere nicht nur einen ständigen Eingriff in die wilde Natur, wird eingewandt. Er habe auch unübersehbare Folgen auf die Nachfrage, die durch die stabilisierten Preise womöglich nur noch weiter angeheizt würde. „1,5 Milliarden potentielle Konsumenten in Fernost stehen weltweit 28 000 Nashörnern gegenüber“, wendet Lucy Boddham-Whetham von der Tierschutzorganisation Save the Rhino ein: Keine Frage, wie dieses Kräftemessen ausgehen werde. Die Experten wollen ferner wissen, wie eine „kontrollierte Vermarktung“ gewährleistet werden soll, wenn schon ein Bann nicht überwacht werden kann. Betrug und Korruption würden auf diese Weise nur noch weiter Tür und Tor geöffnet, so ihr Argument.

Als letzte Rettung wird unter Ökologen deshalb die radikale Methode betrachtet, die derzeit in mehreren Nationalparks in der südafrikanischen Provinz Kwa-Zulu/Natal erprobt wird. Dort spritzen Veterinäre den Dickhäutern eine Substanz ins Horn, die für sie selbst harmlos, für menschliche Konsumenten jedoch „hoch giftig“ sei. Sterben werde ein Mensch davon zwar nicht, sagen die Tierärzte. Doch mit Übelkeit und Erbrechen „ernsthaft erkranken“ würden sie schon. Zusammen mit dem Gift wird noch ein grellroter Farbstoff ins Horn gespritzt, der auch im Pulver klar auszumachen sei: Damit ein Konsument nicht klagen könne, nicht vorgewarnt worden zu sei.

Mancher Anwalt hält die Methode dennoch für kriminell: „Der Einsatz von Gift im Kampf gegen Wilderer ist mit dem Einsatz chemischer Waffen im Krieg zu vergleichen“, zitiert die Tageszeitung Mercury einen nicht namentlich genannten Rechtsexperten. Den Tierschützern sind solche Einwände egal. Statt sich den Kopf über mögliche Zivilklagen zu zerbrechen, solle man sich lieber auf den Kampf gegen das eigentliche Verbrechen konzentrieren, meint der Naturschutzchef der Provinz, Meshack Radebe. Noch ist die Debatte bloß akademischer Natur, bisher wurde noch kein Vietnamese mit Bauchkrämpfen ins Krankenhaus eingeliefert. Doch das erste mit Gift behandelte Rhinozeros soll bereits massakriert worden sein. Südafrikas Nashornschützer warten nun gespannt auf die Folgen.