Im NSU-Prozess gibt es laut den Ermittlern keinen Zusammenhang zwischen dem Ku-Klux-Klan und dem Mord an Michèle Kiesewetter.

Stuttgart - Der Polizist Jörg W. erscheint mit seinem Anwalt im NSU-Untersuchungsausschuss. Das hat seinen Grund: Der heute 45 Jahre alte Beamte war um die Jahreswende 2001/2002 Mitglied bei einer Sektion des rassistischen Ku-Klux-Klans (KKK) in Schwäbisch Hall. Vor dem Gremium im Stuttgarter Landtag versucht der Polizist am Montag aber, seine Nähe zum dubiosen Geheimbund herunterzuspielen. Über seine „Blödheit“ mache er sich heute selber Gedanken. Und der KKK sei für ihn nur ein „Kasperleshaufen von acht Leuten“ gewesen.

 

Vor rund drei Jahren war der Skandal aber groß: Damals wurde bekannt, dass mindestens zwei baden-württembergische Polizisten dem KKK angehörten - und einer von ihnen war später der Vorgesetzte der Polizistin Michèle Kiesewetter, die 2007 mutmaßlich vom rechtsterroristischen „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in Heilbronn ermordet wurde. Seitdem wird darüber gerätselt, ob der KKK etwas mit Kiesewetters Mord zu tun gehabt haben könnte. Die Ermittler in Baden-Württemberg sehen keinen Zusammenhang - der NSU-Ausschuss will dem aber noch einmal genauer nachgehen.

Jörg W. tut sich schwer mit Erklärungen

Am Montag treibt die Abgeordneten vor allem die Frage um, warum Polizisten sich in einem Bund engagieren, der bekannterweise rassistisch ist. Jörg W. tut sich schwer mit Erklärungen. Er nennt das Mystische als Grund, die Bibelauslegungen - und die Möglichkeit, Frauen kennenzulernen. Das nehmen ihm die Abgeordneten nicht ab. Schließlich gab es im KKK Schwäbisch Hall nur zwei Frauen. Das mit den christlichen Werten habe sich interessant angehört, versucht Jörg W. zu erklären. Auf die Frage, welche Berührungen er denn mit dem Christentum habe, sagt er aber: „Davor keine und danach keine mehr.“

Will der Polizist mit alledem nur von einer rassistischen Einstellung ablenken? Die Abgeordneten halten ihm Zeugenaussagen vor, in denen es heißt, Jörg W. habe fremdenfeindliche Tendenzen und ein Problem mit dunkelhäutigen Menschen. Ein Abgeordneter schwenkt ein Flugblatt, das KKK-Chef Achim S. verfasst haben soll. Es zeigt einen schwarzen Mann und eine weiße Frau. „Rassenvermischung? Nein danke“, steht darauf - und die Aufforderung „Sei ein Mann und komm’ zum Klan“. Jörg W. gibt zu, das Blatt zu kennen - selber rechtsradikales und fremdenfeindliches Gedankengut zu vertreten, bestreitet er aber. Jörg W. absolvierte ein Aufnahmeritual im KKK - an einer Burg im Norden Baden-Württembergs. Die Mitglieder tragen dabei Kutten, die aus den USA stammten. Das Neumitglied wird mit verbundenen Augen hineingeführt, erklärt, die Ziele des KKK vertreten zu wollen. Es wird aus der Bibel zitiert - das Neumitglied ritzt sich in den Finger und bezeugt die Mitgliedschaft mit dem blutigen Fingerabdruck. Warum der Klan überhaupt Polizisten aufnahm, obwohl die Beamten ja auch ein Sicherheitsrisiko hätten sein können, bleibt am Montag unklar.

Keine Disziplinarmaßnahmen für Beamte

Vor dem Ausschuss gibt Jörg W. an, er sei nur wenige Wochen Mitglied im KKK gewesen - von Ende 2001 bis Anfang 2002. Der frühere Klanchef Achim S. behauptet, die Mitgliedschaft habe viel länger gedauert. Insgesamt hätten sich 10 bis 20 Polizisten für den Geheimbund interessiert - eine Behauptung, die am Montag kein Zeuge im Untersuchungsausschuss zu untermauern vermag. Allerdings legt die Befragung eines Polizisten aus der Ermittlungsgruppe Umfeld, die die Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg durchleuchtet hat, den Verdacht nahe, dass man diesem Hinweis auch nicht besonders intensiv nachging.

Rätselhaft ist bislang auch, warum die zwei Beamten, die KKK-Mitglieder waren, relativ glimpflich davonkamen. Nach Angaben des Innenministeriums bekamen sie damals - da hatte noch die CDU die Ressortführung inne - keine Disziplinarmaßnahmen.

Der KKK in Schwäbisch Hall löste sich nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden Ende 2002 auf. Klanchef Achim S. soll bereits davor mit der Verbandskasse durchgebrannt sein. Er hält sich heute in den USA auf und will sich einbürgern lassen. Ob er sich dort auch beim Ku-Klux-Klan engagiert, ist bislang nicht bekannt.