Die preisgekrönte kubanische Bloggerin Yoani Sánchez durfte erstmals aus ihrem Heimatland ausreisen. Jetzt geht sie erstmal auf Weltreise, will aber weiterhin für Meinungsfreiheit einstehen.

Stuttgart - In Brasilien ist das Internet weder billig noch flott, aber Yoani Sánchez ist ja nicht gerade verwöhnt. „Uauu, was für eine schnelle Verbindung“, wunderte sich die kubanische Bloggerin, als sie mit einem iPad zu twittern begann, um ihre ersten Eindrücke und Fotos vom Auftakt ihrer Reise mitzuteilen. „Ich fühle mich wie ein begeistertes Kind, das etwas Neues kennenlernt“, rief sie bei ihrer Ankunft im brasilianischen Recife den Reportern zu – und das bezog sich offenbar nicht nur auf technische Geräte und Spielereien, die ihr in Kuba verwehrt werden.

 

Möglich wurde die Ausreise der international preisgekrönten Bloggerin durch das am 14. Januar in Kraft getretene neue Reisegesetz, das die bisher erforderliche Ausreisegenehmigung beseitigt hat. Nun hat die 37-jährige Philologin eine Weltreise antreten können, von der sie lange geträumt hatte – nach Südamerika und in die USA, nach Spanien und Deutschland. Die erste Etappe war Brasilien, und dort machte sie nicht nur die Erfahrung eines relativ gut funktionierenden Internets, sondern auch die des ungehinderten politischen Protestes. Allerdings galt dieser Unmut ihr selbst. Kleine, aber lautstarke Grüppchen, die der kleinen, aber lautstarken linken Studentenbewegung und der Kommunistischen Partei Brasiliens nahestehen, empfingen sie mit Sprechchören à la „Kuba ja, Yankees nein“ und einem Regen falscher Dollarnoten – so laut, dass sie durch einen Hinterausgang bugsiert wurde. Der Vorwurf, sie sei von der CIA gekauft, schien sie eher kalt zu lassen. „So ein Protest gegen jemanden, den die kubanische Regierung eingeladen hat, würde (in Kuba) nicht länger als zwei Minuten dauern“, kommentierte sie.

„Offen reden heißt, sich Probleme einzuhandeln“

Yoani Sánchez ist im Ausland bekannter als in Kuba, obwohl die staatlichen kubanischen Medien sie beständig angreifen – selbst wenn wenige Kubaner ihren Blog „Generación Y“ kennen dürften. Kuba ist unter allen Ländern Amerikas das mit der geringsten Internetdurchdringung – nur 22 Prozent haben Zugriff darauf, so offizielle Zahlen –, und im Internetcafé kostet eine Stunde Surfen zwischen sechs und zehn Euro, zu viel für die allermeisten Kubaner.

Dennoch ist ihr Einfluss so beträchtlich, dass die Regierung eine Anti-Yoani-Twitterin beschäftigt: Yohandry Fontana, die auf Yoani Sánchez zu antworten pflegt. Sanchez stellt keine konkreten Forderungen auf, sie ruft nicht zu Aktion und Protest auf. Sie will keine Partei gründen, sie hat nichts zu tun mit den systemkritischen Kirchenkreisen. Sie schildert, oft in einem Spanisch von literarischer Qualität, das Alltagsleben mit den absurden Defiziten, das von einem autoritären Staat reglementiert wird. Zu den klassischen Dissidenten, die zusammen mit den Castro-Brüdern alt geworden sind, gehört sie daher nicht. Aber da auch in Havanna die Kontrolle längst nicht mehr lückenlos möglich ist – auch auf dem Gebiet der Informationen gibt es einen riesigen Schwarzmarkt –, wird sie offenbar als Gefahr gesehen. „Offen reden heißt, sich Probleme einzuhandeln“, sagte sie bei ihrer Ankunft in Brasilien, wo sie zur Vorführung eines Films über Meinungsfreiheit eingeladen war, in dem sie vorkommt. „Aber ich ziehe das Risiko einer Meinung der Apathie und der Sicherheit des Schweigens vor.“

Die Oppositionsbewegung in Kuba sei viel zu schwach, um etwas zu verändern, so dass man einfach warten und auf die „biologische Lösung“ – also den natürlichen Tod der Castro-Brüder – setzen müsse. Dem brasilianischen Magazin „Veja“ zufolge hatte die kubanische Botschaft zuvor im brasilianischen Außenministerium ein Dossier über Sánchez übergeben. Die Regierung bestätigte, dass ein kubanischer Diplomat eine CD mit Informationen über die Bloggerin überreicht hat, aber die Regierung „habe davon keinerlei Gebrauch gemacht“.