Zehn Jahre lang hat die Rollstuhlfahrerin Alexandra Stefania im katholischen Kindergarten gearbeitet. Sie galt als Vorbild für Inklusion im Arbeitsleben. Jetzt hat die Kirchengemeinde ihr gekündigt. Doch die 35-Jährige gibt nicht kampflos auf.

Schwieberdingen - Die Geschichte ist ungewöhnlich und sie schien ein Happy-End zu haben: Alexandra Stefania, eine junge Rollstuhlfahrerin, dürfte eine der ersten Frauen mit körperlichem Handicap sein, die in einem Kindergarten arbeitet. Im November 2008 wurde sie vom Ludwigsburger Landratsamt, dem Integrationsfachdienst, der katholischen Kirche und der Gemeinde Schwieberdingen als Vorbild für gelungene Inklusion im Arbeitsleben präsentiert. Und jetzt: hat Alexandra Stefania von just jener Kirchengemeinde die Kündigung erhalten. Für die 35-jährige, agil wirkende Rollstuhlfahrerin ein schwerer Schlag: „Für mich war es mit den Kindern, als ob ich zuhause wäre. Ich habe mich mit ihnen wohl gefühlt.“

 

Dabei schien alles rund zu laufen bei Stefanias Laufbahn, die 2004 mit einem Praktikum im Kindergarten begann und dann in einem Abschluss als Betreuungsassistentin, einer Quasi-Erzieherin, weiterging. Sie sei „ein ruhender Pol im Kindergarten“, hatte ihre ehemalige Gruppenleiterin, Beate Zaiser, sie gelobt. „Die Kinder haben sie richtig lieb gewonnen“, so der damalige Bürgermeister Gerd Spiegel. „Ich glaube nicht, dass es so was irgendwo sonst im Land noch mal gibt“, sagte der katholische Diakon Richard Fock im Jahr 2008.

„Wir haben alles unternommen, ihr zu helfen“

Heute, 2015, gibt sich der Diakon deutlich wortkarger. Der Gemeinde sei es „von rechtlicher Seite aus verwehrt, weitere Auskunft zu geben“, teilt er mit. Das gelte auch für die Kindergartenleiterin. Er betont allerdings, die Kirchengemeinde habe „alles nur Denkbare unternommen, Frau Stefania zu helfen“. Er verweist auf einen Bericht des Integrationsamtes im Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS), der unserer Zeitung vorliegt.

Auslöser der Sache war offenbar der Amtsantritt einer neuen Kindergartenleiterin Ende 2013. Zur selben Zeit wurde in der Kita ein so genanntes offenes Konzept eingeführt: feste Gruppen und geregelte Rituale verlieren dabei an Bedeutung, zugunsten von mehr Wahlmöglichkeiten und Flexibilität für die Kinder. „Seitdem geht es ziemlich wild zu“, sagt Alexandra Stefania. Sie habe mehrmals erlebt, „dass der ganze Trubel manchen Kindern einfach zu viel ist“. Aber sie habe das nicht ansprechen können, „wenn es zu laut ist, kann ich nicht reden“, sagt die 35-Jährige. Also begann sie, kritische E-Mails zu schreiben. An die Chefin, später dann an die Kirchengemeinde. 85 Mails sind zusammengekommen.

Kritische Mails waren offenbar lästig

Die kritischen Mails waren der neuen Leitung offenbar ein Dorn im Auge. Alexandra Stefania erhielt Abmahnungen. Sie habe „die gesundheitliche Integrität der Kinder gefährdet“, heißt es im Bericht des KVJS. So habe sie etwa „die Kinder mit brühendem Wasser arbeiten lassen“ und „trotz Verbots wiederholt die Tische mit Desinfektionsmittel gereinigt“. Zudem habe sie „der Leitung Inkompetenz vorgeworfen“ und ihr gar mit den Worten gedroht: „sonst werde ich wild und das durftest Du schon einmal erleben und riskiere es nicht ein zweites Mal, sonst bist Du alleine Schuld“.

Die Sache mit dem heißen Wasser hält Stefania für harmlos. Sie habe gemeinsam mit Kindern Tee aufgebrüht und selbst stets eine Hand am Wasserkocher gehabt. „Ich passe auf, da ist nie etwas passiert.“ Der Vorwurf mit dem Desinfektionsspray sei unzutreffend. Und die Drohung? „Ich verstehe das alles nicht.“

„Ich bin eine Kämpfernatur“

Im Juli 2014 wurde sie mit Hausverbot heimgeschickt – beurlaubt bei vollem Lohnausgleich. Gegen die Langeweile hat sie sich zwei Katzen angeschafft. Den Rechtsstreit will sie nicht unter dem Schutzmantel ihrer Behinderung durchfechten. Sie hat es abgelehnt, psychosozial begutachtet zu werden – damit verlor sie ihren besonderen Kündigungsschutz. Jetzt klagt sie gegen die Kündigung, die kürzlich bei ihr eintraf. „Ich bin eine Kämpfernatur“, sagt sie. Sie suche zwar nach einem anderen Job, das sei aber schwierig.

Ihrer ehemalige Gruppenleiterin Beate Zaiser arbeitet inzwischen in Hemmingen und will sich mangels Detailkenntnis nicht zu dem Streit äußern. Nur so viel: „Ich war schockiert, als ich davon gehört habe. Für uns in der Gruppe war sie damals eine große Hilfe.“ Womöglich passe ihre ruhige Art nicht zum offenen pädagogischen Konzept. Stefania habe sich immer besonders intensiv um drei, vier Kinder gekümmert, „die diese Zuwendung gebraucht haben“.

Kommentar: Mit schwerem Geschütz

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