Vorbei die Zeiten, in denen Donald Trump als Polit-Clown mit lustiger Frisur verlacht wurde. In den USA mehren sich echte Ängste, der neue Präsident könne als Autokrat das Ende der Republik sein.

Washington - Je mehr sich Architektur, Umriss und Personal einer Präsidentschaft Donald Trumps entfalten, umso größer werden die Sorgen um die Demokratie in den USA. „Es gibt gute Gründe, die seit mehr als zwei Jahrhunderten herrschende Verfassungsordnung in Gefahr zu sehen“, schreibt „Foreign Policy“ stellvertretend für viele in einem wahren Strom von Artikeln, Interviews, Essays und Beiträgen. „Das Szenario einer untergrabenen Demokratie ist vielleicht nicht wahrscheinlich, aber es ist alles andere als ausgeschlossen.“ Ein Überblick zu einer heftigen Debatte.

 

Was sich in den USA entfalte, sei in der Konsequenz schlimmer als das Desaster der Kriege in Vietnam und im Irak, meint der „Atlantic“. Diese Fehler habe das Land noch überwinden können. Aber: „Für den Prozess der Demokratie ist es schlimmer, einen Mann emporzuheben, der seine totale Verachtung für demokratische Normen und Institutionen ausdrückt. Wie konnte das nur passieren?“

„Gottlob sind die USA weder die Weimarer Republik noch Italien in den 20er Jahren“, schreibt der „New Yorker“, die Wirtschaft sei stabil und wachse. Trump sei weder Adolf Hitler noch Benito Mussolini. „Aber er ist Trump, und das ist eine echte Gefahr.“

Die Argumente: Trump habe keinerlei Respekt vor der Demokratie und der Verfassung. Er präsentiere sich als starker Alleinherrscher. Er respektiere keinerlei Normen. Er lasse sich von Ultrarechten und Antisemiten unterstützen. Er rede rassistischen Methoden der Polizei das Wort. Er hetze gegen Minderheiten. Er schüre Angst. Und er verachte Medien und Journalisten zutiefst: „Die niedrigste Form menschlichen Lebens“, so nannte er sie im August.

Kritiker sehen Tendenz zur Faschismus

„Wir haben gelernt, dass wir das nicht als Faschismus bezeichnen sollen“, schreibt Essayist Andrew Sullivan im „New York Magazine“, „mir fällt aber keine passendere Bezeichnung ein“. David Remnick, Chefredakteur des „New Yorker“: Faschismus könne kaum die Zukunft der USA sein, aber Trumps Weg bereite ihm perfekt den Boden.

Die scharfkantige Chefkritikern der „New York Times“, Michiko Kakutani, war eine der ersten, welche die auch nach dem Wahlsieg fortgesetzten Massenveranstaltungen Trumps indirekt in einen Zusammenhang mit Joseph Goebbels stellte, dem Chefpropagandisten der Nazis. Heute schaudert es viele beim Sehen der zweiten Staffel von Amazons Serie „The man in the high castle“, der Vision eines faschistisch regierten Amerikas auf der Romanvorlage Philip K. Dicks von 1962.

Warum, so die bange Frage, solle sich Trump als Präsident ändern, wo er doch mit seiner Art so erfolgreich Wahlkampf führte? Ein weißes Amerika heißt Trump als Verteidiger seiner Werte willkommen. Sullivan: „Es ist ein politischer Hurrikan. Die Linke hat ihr Blatt überreizt. Trump bietet einen Revanchismus, der viele elektrisiert. Wie immer in der Geschichte brauchen manche Lagen auch in entwickelten Ländern nur noch einen demagogisch hochbegabten Akteur.“

Womöglich bleibe unter Trump nur die Fassade einer Republik erhalten, schreibt Paul Krugman in der „New York Times“ - und verweist auf das alte Rom. Auch alte und würdige Institutionen seien keine Garantie für ihren Schutz.

USA nicht immun gegen Zusammenbruch der Demokratie

„Foreign Policy“ meint, man solle nicht glauben, dass die USA immun gegen die Gefahren eines Zusammenbruchs der Demokratie seien. Andernorts sei er auch geschehen - in Russland, der Türkei, in Nicaragua. Trump werde zusätzlich von der Macht des US-Präsidialsystems gestützt, außerdem sei nun im Wesentlichen nur eine Partei an der Macht.

Viel beachtet legte Professor Jeff Colgan von der Brown University eine Liste mit zehn Anzeichen einer demokratischen Erosion vor. Mit allem Vorbehalt formuliert, finden sich auch dort die Ausschaltung oder Missachtung von Medien, eine Dämonisierung der Opposition oder ihrer Anführer, Angriffe auf Minderheiten, das Benennen von Sündenböcken und die scharfe Betonung der inneren Sicherheit.

Colgan: „Alle daraufhin ergriffenen Maßnahmen werden mit der Überbetonung eines angeblichen Notstandes entschuldigt, begleitet von offenem Nationalismus und wachsender Polarisierung.“ Das findet sich bei Trump eins zu eins, man kann nicht sagen, dass er das im Wahlkampf sorgfältig versteckt hätte.

Die große Gefahr für die USA, meint Colgan, liege aber nicht in einer rapiden Änderung über Nacht. Sondern in einem schleichenden, fast unmerklichen, zersetzenden Prozess, von dem die Herrschenden mit aller Macht abzulenken versuchten.

Wie Autokraten durch die Kontrolle von Information überleben, hat George Orwell schon in seinem Roman „1984“ beschrieben. „Wer sich damit auskennt, wie Gesellschaften zerfallen und wie Diktaturen entstehen, weiß, dass dafür das Strangulieren einer freien Presse ein Schlüsselfaktor ist“, schrieb die Schriftstellerin Rebecca Solnit nun für den „Guardian“.

Antidemokratische Stimmung in Amerika

Der „New Yorker“: „Mit seinen Twitter- und Facebook-Accounts hat Trump ein persönliches Fake-News-Netzwerk von enormer Reichweite, mit dem er klassische Medien umgehen wird.“ Im Weißen Haus wird der Präsident begleitet werden von seinem obersten Strategen Stephen Bannon, Ex-Chef der rechtspopulistischen Seite „Breitbart“.

Wenig beruhigend ist bei alledem die Stimmung in der Bevölkerung. In Studien und Umfragen lässt die Attraktivität der Demokratie in den USA gravierend nach, während der Zuspruch für Anti-System-Kandidaten emporschnellt. Politologe Yascha Mounk (Harvard) sieht klare Anzeichen eines Niedergangs in den USA. Die Warnlampen für die Demokratien blinkten rot, schreibt die „New York Times“.

Viele frage, was passieren werde, wenn Trump unweigerlich, wie jeder Präsident, Gegenwind erlebe und Misserfolge. Wenn die Einsamkeit des Amts Trumps selbstbezogene Anlagen verstärke. Werde er als Ausweg der Autokraten Sündenböcke suchen, persönlich unfähig zum Eingeständnis eigener Fehler? „Mit Glück“, schreibt der Züricher Politologe Hans-Joachim Voth, „gibt es etwas zwischen Silvio Berlusconi und Wladimir Putin. Mit Pech etwas Schlimmeres.“