Künstler stellen Werke vor, von denen sie sich nur schwer trennen würden. Heute: Manfred Kärcher. Sein Bild zeigt das Obere Tor der Stadt Meersburg und fand seine Vollendung erst fast 35 Jahre nach der ersten Zeichnung.

Unverkäuflich - Wenn Manfred Kärcher seinen Koffer packt, sind Kleidungsstücke Nebensache. Hauptsache, sein Aquarellblock und sein Farbkasten sind sicher verstaut. Denn der Weilimdorfer fängt seine Urlaubseindrücke nicht im Foto, sondern in liebevoller Kleinarbeit mit dem Pinsel ein. Sein Lieblingsbild ist daher schon deshalb unverkäuflich, weil Erinnerungen aus gleich zwei Lebensphasen daran hängen.

 

„Ich habe dann Zeit, ich bin ja im Urlaub“

Manfred Kärchers unverkäufliches Bild zeigt das Obere Tor der Stadt Meersburg und es wirkt genau beobachtet und nostalgisch zugleich. Wie viele seiner Aquarelle. Denn historische Marktflecken, verwinkelte Gassen und Ritterburgen sind seine Welt und der Weilimdorfer malt sich gerne in eine andere Zeit. Dafür ist ihm kein Fachwerk zu aufwändig, keine Perspektive zu kompliziert. Das Rüstzeug dazu hat er von Berufswegen: Er hat eine Lehre zum Lithografen absolviert, sich dann in der Abendschule des Feuerbacher Kunstprofessors Hugo Peters weitergebildet und schließlich Gebrauchsgrafik studiert. Als Zeichner war er im medizinischen und technischen Bereich tätig – sorgfältiges und exaktes Arbeiten vorausgesetzt. Im Gegensatz zu den meisten Menschen, die in der Freizeit meiden, was sie beruflich machen, arbeitet Kärcher auch jetzt im Ruhestand noch mindestens so detailverliebt.

Besonders viel Muse hat er auf Reisen, dann kann er sich ganz in sein Motiv vertiefen: „Ich habe dann Zeit, ich bin ja im Urlaub.“ Am liebsten arbeitet er vor Ort, direkt vor seinen Motiven: „Das ist etwas anderes, als vom Foto herunter zu malen. Man hat das Licht und die Stimmung – und man muss das Motiv erst noch auf die Fläche übersetzen“, sagt Kärcher. Nur im Ausnahmefall macht er Fotos – dann unterstützt er seine Eindrücke aber mit vielen Skizzen. Aus beidem zusammen erschafft er sich zu Hause dann seine Welt, versetzt im Bild auch mal einen Baum an eine andere Stelle bis der Bildaufbau stimmt.

Fertigstellung nach fast 35 Jahren

Auch sein Lieblingsstück ist aus einer Mischung von Fotos und Skizzen entstanden – doch es steckt mehr dahinter: Manfred Kärcher erinnert sich, wie er als junger Mann zum ersten Mal vor Ort war. Anfang der 60er Jahre hatte er mit Freunden in Konstanz gezeltet. Mit der Fähre ging es hinüber nach Meersburg, wo er eine allererste Skizze des Tors anfertigte. Jung wie man war, blieb man bei einer Tanzveranstaltung hängen und weil ein Freund unbedingt bis zum letzten Tanz bleiben wollte, verpasste man die letzte Fähre zurück. Mangels anderer Alternativen musste die Gruppe die Nacht in Meersburg verbringen und natürlich begann es bald darauf zu regnen. „Es war ein Abenteuer“, sagt Kärcher rückblickend. Er ist seither noch öfter am Bodensee gewesen und als er 1995 mit Ehefrau Gerda nach Meersburg zurückkehrte, beendete er, was er fast 35 Jahre zuvor mit einer Zeichnung begonnen hatte.

Interessant ist für den Maler bei der Arbeit vor Ort auch, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Nicht immer seien die Reaktionen positiv, gibt Gerda Kärcher zu bedenken. Sie mischt sich ab und zu unerkannt unter die Zuschauer, die ihr Mann unweigerlich anzieht, wenn er auf offener Straße malt. „Es haben auch schon Leute gesagt, jetzt malt der da stundenlang. Da macht man doch ein Foto und hat alles drauf.“ Andererseits habe er auch schon Bilder direkt aus dem Block verkauft, ergänzt Manfred Kärcher. Die Meersburger Stadtansicht freilich ist und bleibt unverkäuflich.