Die kumpelig „Pablo“ genannte Biografie der Autorin Julie Birmant und des Zeichners Clément Oubrerie schildert Picassos Leben auf neunzig Seiten, wobei dies nur der erste Band eines größeren Projekts ist. Er hört mit den Worten „Fortsetzung folgt“ im Jahr 1904 auf, als der gerade 23-jährige Maler auf den Montmartre zieht und Fernande Olivier kennenlernt. Dieses Modell erzählt hier parallel und gleichberechtigt – und schon bevor es eine Liaison mit Pablo eingeht – aus einem Leben, das aus Arbeiter- und Kleinbürgerelend in die ebenso arme, aber „leidenschaftliche und kreative Welt“ der Bohème führt. Im Zeichenstil orientiert sich die Geschichte nicht an Picasso, sondern an Christophe Blain oder Joann Sfar, die sich mit ihrem krakelig-karikierenden, aber auch virtuos-expressiven Strich einen Namen im neueren französischen Comic gemacht haben. Eine gewisse Ironie ist diesem Stil von vornherein eingeschrieben, und das spanische Genie, das in diesen Panels sehr robust durch die Pariser Szene zieht, wird hier auch nicht weihevoll bewundert, sondern mit leichtem Amüsement betrachtet. Aber respektlos, gar eine Demontage, ist „Pablo“ nicht.

 

Respektlos würde man, jedenfalls auf den ersten Blick, eher die beiden befreundeten norwegischen Autoren und Zeichner Lars Fiske und Steffen Kverneland nennen, die in ihren Biografiebänden selber als rüpelige Buddys auftreten und zwischen Schlucken aus dem stets präsenten Flachmann mit Künstleranekdoten protzen. Tatsächlich haben sich Fiske mit dem Schwitters-Band „Herr Merz“ und Kverneland mit seinem „Munch“ nicht nur intensiv mit dem jeweils porträtierten Maler und auch mit der Fachliteratur auseinandergesetzt – ihre Comics haben Apparate mit Quellenangaben –, sie sind auch beide obsessive Fans, die an für Schwitters respektive Munch prägende Orte reisen und dem Geist der „Meister“ nachspüren. Immer wieder brechen sie ihre Erzählungen auf, zeichnen sich selber bei Recherchen und verquicken also ihre Malerbiografien mit einer speziellen Form der Kunstreportage.

Alles über Kurt Schwitters

Wenn der exzellente Grafiker Lars Fiske von dem radikalen, zunächst aber durch bürgerlichen Wohlstand abgesicherten Schwitters erzählt, sieht das aus, als sei der Ligne-Claire-Stil des Tim-und-Struppi-Zeichners Hergé durch Kubismus, Konstruktivismus und De Stijl hindurchgegangen. Eine skandalauslösende Kunstaktion in Holland etwa zeichnet Fiske nicht in „normale“ Panels, sondern in Mondrian-Rechtecke und -Quadrate hinein. Und trotz dieser Abstrahierung (und auch Karikierung) teilt sich hier die Tragik eines Künstlers mit, der so gern unpolitisch gewesen wäre, von der Politik aber nicht in Ruhe gelassen wird. Die Nazis zwingen Schwitters ins Exil, zuerst nach Norwegen, dann nach England, im Krieg werden dann seine Häuser in Hannover samt Merzbau zerstört.

Merzbau? Schwitters war so etwas wie ein hochorganisierter Messie, er hat vorgefundene und eingesammelte Materialien mit Gips und Sperrholz zu abstrakten Skulpturen arrangiert, die seine Wohnräume zuwucherten. Wo es ihn auch hintrieb: Schwitters machte sich sofort an einen neuen Merzbau, so als wollte er sich aus der Welt zurückziehen in eine Kunsthöhle. Nein, das ist nicht die Deutung von Lars Fiske, aber sein Band lässt sie zu. Der Autor selber aber unterläuft das allzu Ernste wieder mit einer Anekdote: In einer Merzbau-Rekonstruktion im Sprengel-Museum in Hannover sagt er zu Kverneland, Schwitters habe darin Ratten ausgesetzt, „aber sie pinkelten überall hin, so dass es im ganzen System einen Kurzschluss gab“.

Alles über Kurt Schwitters

Wenn der exzellente Grafiker Lars Fiske von dem radikalen, zunächst aber durch bürgerlichen Wohlstand abgesicherten Schwitters erzählt, sieht das aus, als sei der Ligne-Claire-Stil des Tim-und-Struppi-Zeichners Hergé durch Kubismus, Konstruktivismus und De Stijl hindurchgegangen. Eine skandalauslösende Kunstaktion in Holland etwa zeichnet Fiske nicht in „normale“ Panels, sondern in Mondrian-Rechtecke und -Quadrate hinein. Und trotz dieser Abstrahierung (und auch Karikierung) teilt sich hier die Tragik eines Künstlers mit, der so gern unpolitisch gewesen wäre, von der Politik aber nicht in Ruhe gelassen wird. Die Nazis zwingen Schwitters ins Exil, zuerst nach Norwegen, dann nach England, im Krieg werden dann seine Häuser in Hannover samt Merzbau zerstört.

Merzbau? Schwitters war so etwas wie ein hochorganisierter Messie, er hat vorgefundene und eingesammelte Materialien mit Gips und Sperrholz zu abstrakten Skulpturen arrangiert, die seine Wohnräume zuwucherten. Wo es ihn auch hintrieb: Schwitters machte sich sofort an einen neuen Merzbau, so als wollte er sich aus der Welt zurückziehen in eine Kunsthöhle. Nein, das ist nicht die Deutung von Lars Fiske, aber sein Band lässt sie zu. Der Autor selber aber unterläuft das allzu Ernste wieder mit einer Anekdote: In einer Merzbau-Rekonstruktion im Sprengel-Museum in Hannover sagt er zu Kverneland, Schwitters habe darin Ratten ausgesetzt, „aber sie pinkelten überall hin, so dass es im ganzen System einen Kurzschluss gab“.

Munch, der schwere Brüter

„Herr Merz“ ist ein sehr gelungener Band, das Opus magnum des Künstler-Comics hat jedoch Fiskes Freund und Rivale Kverneland geschaffen. Sein in sieben Jahren Arbeit entstandener „Munch“ ist, mit allen seinen Ruppigkeiten („Der war ständig blau!“) und Popzitaten (die Panzerknacker klauen den „Schrei“) ein furioses, opulentes und komplexes Werk, das sich auf annähernd dreihundert Seiten einer fast unmöglich scheinenden Aufgabe stellt: „Der ganze Text soll nur aus authentischen Zitaten bestehen.“ Und so kommt hier, in Briefen, Tagebüchern, Notizen, Grafiken oder Gemälden, nicht nur der schwere Brüter Munch selber zu Wort, sondern auch Kritiker, Mäzene, Galeristen, Rivalen oder Freunde wie Strindberg, mit dem sich Munch in der Berliner Bohème-Kneipe Zum schwarzen Ferkel trifft und zu dem er sagt: „Ich hasse alles und jeden, ausgenommen mich selbst.“ Woraufhin Strindberg antwortet: „Du bist ein Glückspilz. Ich hasse auch mich selbst.“

Wie gesagt, der Autor schätzt solche Geschichtchen, aber seine Biografie geht weit über das nur Anekdotische hinaus. Kverneland wühlt sich geradezu hinein in das um Sex und Sünde kreisende, von Krankheit und Tod überschattete Leben von Munch, der den Naturalismus hinter sich lässt und Seelenlandschaften malt. Wie es etwa dazu kam, dass die Wolken bei Munch zu bluten beginnen, hat Kverneland akribisch recherchiert. Wer sich also für die heute Abend beginnende Munch-Ausstellung in der Stuttgarter Staatsgalerie vorbereiten will, dem sei dieser Band sehr empfohlen.