Die 28-jährige Schwedin Fatima Hellberg leitet seit Anfang des Jahres das Stuttgarter Künstlerhaus. Ihr liegt die Kunstform der Performance am Herzen.

Stuttgart - Die erste Weiche ist schon umgestellt. Fatima Hellberg hat gleich zu Beginn ihrer Amtszeit als Leiterin des Künstlerhauses eine einschneidende Änderung beschlossen. Der zweite Stock, eine von zwei Ausstellungsebenen, soll multifunktional erweitert werden und unter anderem eine Bühne erhalten. In Zukunft beschränkt sich der klassische Präsentationsbetrieb vornehmlich auf die vierte Etage. Eine räumliche Innovation, die aus den programmatischen Absichten der frisch gebackenen Hausherrin resultiert. Vor allem nämlich möchte die gebürtige Schwedin, die Anfang des Jahres die Nachfolge von Adnan Yildiz angetreten hat, die Kunstform der Performance aufwerten. „Und dafür braucht man eine Bühne“, sagt Hellberg – allerdings auf Englisch. Obschon sie einige Semester in Berlin studiert hat, ist ihr das Idiom ihrer bisherigen Wahlheimat Großbritannien derzeit noch die vertrautere Sprache.

 

In den Annalen des Künstlerhauses gehört die 28-Jährige zu den Jüngsten auf dem Chefsessel. Gleichwohl kann sie bereits auf ein umfangreiches Ausstellungs-Portfolio verweisen. In der Vergangenheit kuratierte sie für so renommierte Häuser wie die Londoner Tate Modern, die Malmö Konsthall und den Badischen Kunstverein in Karlsruhe.

Nähe zum Publikum

Die Tochter eines Malers und einer Konzeptkünstlerin ist mit Kunst aufgewachsen und immer schon von Bildern fasziniert gewesen. Selbst Künstlerin werden wollte sie jedoch nicht, sondern fand ihre Aufgabe darin, der Kunst erklärend und organisierend zur Seite zu springen. In Oxford studierte sie Kunstgeschichte, in London erwarb sie einen Master in „Curating contemporary art.“

Für die Leitung des Künstlerhauses empfahl sich die Skandinavierin insbesondere durch ihre Tätigkeit in der Londoner Cubitt Gallery, die ebenfalls auf dem Prinzip der künstlerischen Selbstorganisation beruht und neben Ausstellungsräumen auch Ateliers zu Verfügung stellt.

Vorurteile gegenüber Stuttgarts vermeintlicher Provinzialität bringt Hellberg nicht mit von der Themse, wo man – zumindest innerhalb der Gegenwartskunstszene – das Haus in der Reuchlinstraße als Kompetenzzentrum für Ästhetiktheorie kennt und schätzt. Im Unterschied zur Reizüberflutung der britischen Metropole birgt das überschaubare Stuttgarter Milieu sogar einen Vorteil in den Augen der Kuratorin: „In kleineren Städten ist man näher beim Publikum.“

Kontakt zur freien Szene

Wenn Hellberg redet, verbinden sich mädchenhafter Witz und intellektuelle Überzeugungskraft. Als „immersive“, also auf verschiedene Sinnesbereiche ausgreifend, würde sie ihren eigenen Ansatz beschreiben. Davon geprägt war auch die Karlsruher Themenschau „Slow Runner. Her Noise Archive II“, ein genderkritisches Projekt über Komponistinnen und weibliche Musiktheorie.

Auch für Stuttgart gehen Hellbergs Ideen dahin, traditionelle Kunstformen mit einem ungewöhnlichen Umfeld zu kontrastieren. Also Malerei und Skulptur neben Film, experimenteller Musik und Literatur. So hat die neue Künstlerhauschefin ihre Netzwerkfühler nicht nur Richtung Kunstakademie und Solitude-Akademie ausgestreckt, sondern sucht auch den Kontakt zur freien Theaterszene.

Für das laufende Jahr sind bislang vier Ausstellungen anvisiert. Den Auftakt macht im Frühjahr ein Projekt zur „Liveness“. Denn durch die raumzeitliche Ko-Präsenz von Kunst und Betrachter, etwa in einer Performance, verlieren die Werke laut Fatima Hellberg ihre Statik, was viel lebendigere Begegnungen ermöglicht. In der Sprache der Popmusik: Life is live. Auf das, was genau dabei über die neue Bühne des Künstlerhaus gehen wird, darf man gespannt sein. Ab Ende März erfahren wir mehr.