Friedrich Liechtenstein ist ein Star, seit er in einem viralen Edeka-Werbespot alles von Bio bis Tiefkühldorsch „supergeil“ fand. Versuchen, ihm auf den Grund zu gehen, entzieht er sich und feilt damit bewusst am Kultstatus.

Stuttgart - Alle Welt versucht dieser Tage, aus Friedrich Liechtenstein schlau zu werden, dem Kult-Opa aus einem viralen Edeka-Werbespot. Wer ist dieser schräge Typ, der da zu sanften Elektro-Beats durch Berliner Wohnzimmer und Edeka-Filialen tänzelt und dabei von Biojoghurt bis Tiefkühldorsch alles „supergeil“ findet?

 

Liechtenstein, so heißt es, besitzt in Berlin schon lange Kultstatus, der sich aus vielfältigen Quellen speist. Der 1956 geborene Musiker und Entertainer produziert vor allem Elektropop, der eher in die 90er passt und den er in denkwürdigen Bühnenshows zum Besten gibt. Da bietet er neben Gesang etwa einen „erotischen Ringkampf“, der darin endet, dass er seiner Bühnenpartnerin mit Lauchstangen den Hintern versohlt.

Journalisten verzweifeln am „Dance-Opa“

Geboren wird Hans-Holger Friedrich in Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt in Brandenburg. In den 90er Jahren kommt er nach Berlin und studiert dort Puppenspiel an der Schauspielschule „Ernst Busch“. Anfang der 2000er startet er seine Karriere als Elektro-Pop-Musiker und legt sich den Künstlernamen Friedrich Liechtenstein zu. 2004 erscheint sein erstes Album „Please Have A Look From Above“. 2013 nimmt er zusammen mit Musiker und Regisseur Jakob Grunert schließlich die original „Supergeil“-Version auf – das Stück, das später die Werbeagentur „Jung von Matt“ auf die eher biedere Supermarktkette Edeka ummünzt.

Soviel zu den harten Fakten. Was darüber hinaus geht ist Kunst, Show, Maske und in diesem Spiel ist Liechtenstein ganz groß. Journalisten haben ein schweres Spiel mit ihm. Dem Reporter der Zeit verkündet er etwa mitten im Interview: „Die Zeit der Eiche ist vorbei, jetzt ist die Zeit der Alge. Das Algenbild ist geprägt von Verwandlung, von Unschärfe im Kern der Definition. Die großen Schlagworte sind kryptogam und extremophil.“

Das Internet vergleicht er mit einer riesigen Kloake

Sich selbst bezeichnet Liechtenstein als „Flaneur“, „Dance-Opa“ und „Schmuckeremit“ und gibt viel darauf, sich nicht fassen zu lassen. Selten blitzt der Funke einer greifbaren Idee, von Ernsthaftigkeit auf. Etwa wenn er in einem Arte-Spot den heutigen Mangel an Kreativität beklagt: „Wenn die Leute kreativ sind, dann posten die Katzenfotos, Fotos vom Mittagessen und wie sie vorm Toilettenspiegel stehen. Das sind die neuen Kreativen.“ Das Internet, das Liechtensteins Figur des Edeka-Opas so ins Herz geschlossen hat, bezeichnet er in einem anderen Filmchen als riesige Kloake „voller Schrott, Idioten breiten sich da ungehemmt aus“ und fordert seine Zuschauer auf: „Nichts in die Kommentarfunktion bei You-Tube schreiben! Da ist nur Schrott. Richtig viel Schrott.“ Ob Liechtenstein das alles ernst meint? Wer weiß.

Diese Unsicherheit stiftet zumindest Journalisten zu Kreativität an. Der Zeit-Reporter, der Liechtenstein interviewte, beginnt etwa über das gewandelte Lebensgefühl in Berlin Mitte zu sinnieren („das Gefühl, im professionellen Nichtstun, im passionierten, aber effizienten Dada keine Antworten auf die nicht gestellten Fragen zu finden“), in das Liechtenstein anscheinend so gut passt. Auch bei der Berliner Zeitung wird viel interpretiert. Wenn man Liechtenstein dabei beobachte, wie er Frost-Dorsch „sanft über die Scannerkasse“ zieht, „dann kann man ganz hinten in den Augen noch das Traumstaunen eines Stalinstädter Buben sehen, den es mit valutaprallen Taschen in einen Intershop verschlagen hat“.

Liechtensteins Kalkül geht auf

Was lesen wir aus Liechtensteins Lebensweisheiten und Skurrilitäten, aus all den verzweifelten journalistischen Annäherungsversuchen heraus? Der kleine Stalinstädter Bube hat es bis heute faustdick hinter den Ohren. Er hat es geschafft, im Sturm des YouTube-Hypes der unnahbare abgedrehte Berliner Dance-Opa zu bleiben und empfiehlt sich somit für landesweiten, ach was, internationalen Kultstatus. Geschickt vermarktet könnte Liechtenstein noch hoch hinaus kommen.

In der Zwischenzeit sitzt „der Flaneur“ wohl irgendwo in Berlin Mitte, an einem dieser Orte, in die er so ganz toll rein passt. Sein Bauch erbebt wie zarter Bio-Pudding von Edeka, während er mit einem unterdrückten Lachen alle journalistischen Sinnstiftungsversuche überfliegt. Und dann murmelt er in seinen Bart: „Dieser YouTube-Hype um mich, der ist schon ziemlich-“....