Das Projekt Kulturelle Bildungspartnerschaften Tusch zeigt im Theater der Altstadt seine Produktionen mit Schülern aller Schularten. Wie es 2017 weitergehen wird, ist unklar. Die Förderung ist zu Ende.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - In diesem Sommer hat das Tusch-Theaterfest einen bitteren Beigeschmack. Nach drei Jahren läuft die Anschubfinanzierung für die kulturellen Bildungspartnerschaften zwischen Schule und Theaterszene in Stuttgart und der Region aus. Somit ist die Zukunft von Tusch unsicher. Projektleiterin Ismene Schell und Geschäftsführerin Natasa Atanackovic hoffen jetzt auf die neue Landesregierung und deren Kultusministerin Susanne Eisenmann. Bisher wurde Tusch, das es auch in zahlreichen anderen Städten gibt, im wesentlichen von der Robert-Bosch-Stiftung und dem Land getragen. So standen dem Projekt von 2013 bis Ende dieses Jahres insgesamt 160 000 Euro zur Verfügung. Hinzu kamen Spenden.

 

Die Stadt zahlt nicht

Die Stadt hat im Doppelhaushalt die Förderung abgelehnt. „Sie geht fahrlässig mit der kulturellen Bildung um“, findet Ismene Schell. Schließlich sei in den drei Jahren viel Positives entstanden und jetzt steht Tusch angesichts der Drohung, dass eine institutionelle Förderung nicht mehr vorgesehen ist, vor dem großen Fragezeichen? „Es könnte nur weitergehen, wenn wir ehrenamtlich weitermachen“, sagt Natasa Atanackovic. Zehn Schulen kamen in den Genuss einer kulturellen Bildungspartnerschaft, beworben hatten sich weit mehr.

Kooperation mit Theaterprofis ist charakteristisch

Wichtig und charakteristisch für das Projekt sei aber gerade die Professionalität. „Tusch ist kein Freizeitprojekt und es macht eben einen Unterschied, ob Leute, die selbst Kunst machen, es leiten oder ob es Lehrer sind“, betont Ismene Schell. Die Qualität ihrer Inszenierungen präsentieren die Theatergruppen am 27. Juni im Theater der Altstadt der Öffentlichkeit, einen Tag später spielen sie nur für Geladene Gäste. Entstanden sind die Produktionen in diesem Schuljahr. Und so unterschiedlich wie die Gruppen – von der Förderschule bis zum Gymnasium - sind auch die Stücke. Die Vorstellungen dauern zwischen zehn Minuten und eineinhalb Stunden. Die Gewichtungen sind mitunter erstaunlich. So hat sich die Kreuzsteinschule, eine Förderschule aus Freiberg, schon zum wiederholten Mal die Klassiker vorgenommen. In diesem Schuljahr erarbeiteten sich elf Schüler eine eigene Fassung von „Die Bürgschaft“ nach Friedrich Schiller. „Um es ganz pathetisch zu sagen: Es ist für die teilnehmenden Schüler wie eine Erweckung“, charakterisiert Ismene Schell diese Art von Kulturvermittlung.

Eine Förderschule bringt Schiller auf die Bühne

Als das Tusch-Projekt vor drei Jahren gestartet ist und Schüler und Akteure aus der Theaterszene zusammenbrachte, stand vor allem ein Gedanke im Vordergrund: Kinder und Jugendliche sollen mit der Unterstützung der Theaterprofis lernen, sich auf vielfältige Weise zu artikulieren: „Sie können so ihre eigenen Themen finden“, erklärt dazu Ismene Schell. Sie können so ihre eigenen Fähigkeiten entwickeln, Fähigkeiten, die sonst vielleicht nie entdeckt worden wären. „Wir haben in der Förderschule einen jungen Mann, der so ausdrucksstark spielt, dass ich zu Tränen gerührt war als ich es zum ersten Mals sah“, erzählt Schell, die selbst Schauspielerin ist.

Masken und Kulissen bauen gehört auch dazu

Durch die gemeinsame Arbeit an einem Stück, der Bearbeitung der Vorlage, die Auseinandersetzung mit den eigenen Befindlichkeiten und denen der anderen lernen die Schüler Teamgeist, Toleranz und Respekt voreinander. Daneben werkeln sie praktisch und bauen Masken oder Kulissen – immer unter Anleitung der Profis. Und sie können während der dreijährigen Projektphase auf die gesamte Infrastruktur ihres Theaterpartners zurück greifen, zum Beispiel auf die Mithilfe der Maskenbildner vor der Aufführung.

Interesse für das Theater wecken

Darüber hinaus kommen auf diese Weise viele Schüler zum ersten Mal mit der Welt des Theaters in Kontakt. Somit ist es auch für die Theaterleute lohnend, denn sie können sich so neue Publikumskreise erschließen. Was interessiert die Jugendlichen? Wie bekommen wir sie ins Theater? – auf solche Fragen erhalten sie durch die Konfrontation mit den Schülern Anregungen für ihre eigenen Arbeit.

Lehrer ihre Schüler jetzt anders wahr

In jeder Gruppe sind Lehrer und Theaterleute als Tandem vertreten. „Lehrer haben uns berichtet, dass sie ihre Schüler anders wahrnehmen als vorher. Sie haben bei ihnen andere Kompetenzen entdeckt“, sagt Natasa Atanackovic. Andererseits seien die Theaterleute dankbar, wenn die Lehrer ordnend eingreifen – vor allem während der turbulenten Findungsphase.

Medien unterstützen die Lust am Spielen

Wer glaubt, dass die heutigen Digital Natives am Spiel auf der Bühne keine Freude mehr haben, liege völlig falsch, betonten die Tusch-Aktivistinnen. „Die Medien unterstützen eher deren Wunsch nach Selbstinszenierung“, beobachtet Ismene Schell. „Wir müssen dann natürlich sehen, wie sie das umsetzen.“