Die Idee brachte sie aus New York mit: 1969 hat Ursula Zotz-Füess begonnen, Laugengebäck aus einem Art Kinderwagen mit Sonnenschirm auf der Königstraße zu verkaufen. Daraus sind die Brezelkörble geworden – eine Stuttgarter Institution. Im Alter von 76 Jahren ist die Erfinderin gestorben.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - „Hosch koine Brezle dabei?“, ist die Tochter des Bäckers Otto Füess von Freunden oft gefragt worden – damals schon, als sie die einzige Gesellin im Bäckerhandwerk war, allein unter Männern.

 

Eine Sensation war’s, als die 1940 geborene Ursula Füess, die später den Reutlinger Bäckermeister Dieter Zotz heiratete und zu dem Doppelnamen kam, 1959 Bundessiegerin im Bäckerhandwerk geworden ist. Eine junge Frau aus Kaltental hatte alle Männer bundesweit geschlagen! Zur Belohnung bekam sie ein Stipendium in den USA. Von dort brachte sie eine Erkenntnis mit nach Hause: Kleine Betriebe, sagte sie später, könnten auf Dauer nur überleben, wenn sie sich spezialisierten.

Heute würde man Ursula Zotz-Füess eine „Power-Frau“ nennen. Ihre Spezialität waren die Brezeln. Damals gab es noch zwei Bäckereien in Kaltental mit den Namen Füess. In der unteren Bäckerei, die von Otto Füess und Tochter Ursula betrieben wurde, so erzählt man sich noch heute, waren die Brezeln besser als in der oberen Bäckerei, die Ottos Bruder Eugen gehörte. Der Eugen hatte dafür bei anderen Backwaren die Nase vorn.

Das Geheimrezept hat sie nie verraten

Warum die Brezeln von Ursula Zotz-Füess besonders gut waren, wollte sie nicht verraten. Stets sprach sie von einem „Geheimrezept“, das sie niemals preisgeben werde. Ihr Patensohn Rainer Füess erklärt den Erfolg so: „Mein Patentante hat sich aufs Laugengebäck konzentriert und nichts anderes gebacken – deshalb war es so gut.“

In New York hatte die schwäbische Bäckermeisterin auf Straßen Wagen mit Speisen gesehen. Für Stuttgart übertrug sie diese Geschäftsidee mit der schwäbischen Version der Laugenbrezel. Der frühere OB Manfred Rommel führte schwäbischen Scharfsinn und Geistesstärke gar auf das symmetrisch verschlungene Gebäck zurück: „Des Schwaben Klugheit ist kein Rätsel. / Die Lösung heißt Laugenbrezel. / Schon trocken gibt dem Hirn sie Kraft. / Mit Butter schmeckt sie fabelhaft. /Erleuchtet mit der Weisheit Fackel,/ den Verstand vom größten Dackel.“

Zuerst musste Ursula Zotz-Füess ihre Brezel-Stände auf der Königstraße abends immer ab- und anderntags aufbauen. Dafür verwendete die damals 29-Jährige zusammenklappbare Kinderwagen mit Sonnenschirm, auf denen die Körbe voller knuspriger Brezeln standen. Nach zwei Jahren sind vier Häuschen installiert worden, die heute zu Stuttgart gehören wie das Neue Schloss und der Fernsehturm.

Mitte der 1980er Jahre wären die Stände beinahe der Gewerbeaufsicht zum Opfer gefallen, weil das Verkaufspersonal laut Vorschrift drei Quadratmeter Raum zur Verfügung haben musste. „Unsere Verkäuferinnen haben aber nur einen Quadratmeter“, sagte Ursula Zotz-Füess später unserer Zeitung. Regierungspräsident Manfred Bulling habe aber höchst selbst verfügt, dass die „Brezelkörble“-Kioske unverändert bleiben durften – wenn auch aus Hygienegründen mit Plexiglas anstatt der Körbe . Ein Kulturgut darf nicht verschwinden!

Drei statt wie bisher vier Brezelkörble in der Innenstadt

Im Jahr 2001 hat die Cannstatter Bäckerei Frank die Brezelkörble übernommen. Die Gründerin brauchte mehr Zeit für die Großbäckerei ihres Mannes in Reutlingen, für die sie bereits arbeitete. Sie hat keine Kinder, die in Stuttgart das Brezelgeschäft hätten weiterführen können.

Die Brezelkörble bleiben eine Ausnahme im Stadtbild. Weitere Imbiss-Stände sind nicht erlaubt. Die Genehmigung der Behörden beschränkt sich auf Laugengepäck – Pariser Brötchen oder süße Stückchen dürfen dort nicht verkauft werden.

Auch die Frank-Brezeln schmecken besonders gut, was die Bäcker darauf zurückführen, „dass wir nur die besten Zutaten verwenden“. Ein Problem sind die Schmierereien auf der Fassade der Häuschen. Inzwischen hängen die Betreiber Tafeln auf, die abends abgenommen und anderntags über die Kritzeleien gehängt werden.

Künftig wird es nur noch drei statt wie bisher vier Brezelkörble geben. Der Standort am Rotebühlplatz hat sich inzwischen als wenig lohnend erwiesen und wird aufgegeben. Eigentlich gehört das Häuschen ins Stadtmuseum – es erinnert so viele Stuttgarter an frische Brezeln, die Mama beim Einkaufsbummel stets spendiert hat. Im Himmel kann man sich freuen. So leckere Brezeln gab’s dort bestimmt noch nie.