Im Fliegenbachtal bei Schorndorf soll ein unheimlicher schwarzer Mann umgehen. Roland Buggle hat ihn nicht getroffen, aber die Spuren eines längst verfallenen Hofs aufgespürt. Dafür wird er nun ausgezeichnet.

Schorndorf - Es heißt, im Fliegenbachtal treibt ein schwarzer Kerl ohne Beine sein Unwesen. Ein Glück, dass Roland Buggle ein unerschrockener Mann ist. Und so hat die Sage, die wohl aus dem 17. Jahrhundert stammt, den 77-jährigen Schorndorfer nicht davon abhalten können, in dem Gebiet, das zwischen Schorndorf-Oberberken und dem Nassachtal (Landkreis Göppingen) liegt, nach Überresten des längst verfallenen Fliegenhofs zu forschen. Mehr als vier Jahre dauerte die mühselige Suche im heutzutage komplett bewaldeten Tal, dessen steile Klingen teils mit Brombeerhecken und Büschen bewachsen sind.

 

Während dieser Zeit hat Roland Buggle zwar keine Überreste der Hofgutgebäude mehr finden können, aber er hat im unwegsamen Gelände, zwischen Heidelbeersträuchern, unter Moos und Erdreich, die alten Grenzsteine des Waldsiedelhofs aufgespürt und die Kleindenkmale teils repariert und wieder aufgestellt.

Dafür ist er nun mit dem Kulturlandschaftspreis in der Sparte Sonderpreis Kleindenkmale ausgezeichnet worden, der am 9. Oktober bei einer Feier in Sontheim (Kreis Heidenheim) verliehen wird.

Archäologie statt Radiotechnik

„Eigentlich wollte ich mich als Rentner mit Radiotechnik befassen“, sagt Roland Buggle, der 40 Jahre im Versuchsbereich eines Autobauers tätig war. Doch dann ist ihm halt die Archäologie dazwischen gefunkt. Der vor drei Jahren verstorbene Heimatforscher Reinhold Zeyher hatte Roland Buggle die Kopie eines alten Plans des Fliegenhofs gegeben, der im 15. Jahrhundert als Glashütte diente und später als landwirtschaftliches Gehöft genutzt wurde. „Diese Geschichte ist eigentlich nicht mehr im Bewusstsein der Leute“, sagt Roland Buggle, der das ändern wollte.

Warum die Glashütte, die im Besitz eines gewissen Christian Greiner war, um 1535 ihren Betrieb aufgegeben hat, weiß keiner. Dass die Folgebesitzer, die den Hof für die Landwirtschaft nutzten, auf keinen grünen Zweig gekommen sind, wundert den Forscher jedoch nicht: „Sie haben sogar versucht, hier Wein anzubauen, aber dieser Hof war nie ertragreich. Das waren Hungerleider hier. “

Bei seinen Recherchen im Staatsarchiv Ludwigsburg und dem Schorndorfer Stadtarchiv hat Roland Buggle neben Hinweisen auf die zahlreichen Eigentümer des Fliegenhofs auch eine Urflurkarte aufgetrieben, die ihm Anhaltspunkte über das Ausmaß und die Grenzen des zeitweise gut 50 Hektar großen Anwesens gab. Die Grenzsteine musste Roland Buggle freilich selbst suchen. Eine Mordsarbeit, denn viele waren umgefallen oder umgeworfen worden, vom Zahn der Zeit zernagt, von Grünzeug überwuchert oder sie lagen bis zu zwei Handbreit tief unter der Erde. Beim Rundgang von Grenzstein zu Grenzstein hat man das Gefühl, Roland Buggle mache einen Besuch bei alten Bekannten.

Voll bepackter Kofferraum

Für seine Exkursionen hat Roland Buggle den Kofferraum seines Kleinwagens bis zum Rand voll gepackt – mit allerlei Gerätschaften zur Vermessung, etwa einer Laser-Wasserwaage, Maßbändern in 30 und 50 Meter Länge, Fluchtstäben und reflektierenden Rohlingen für Autokennzeichen. Letztere hat er an die Stäbe geklemmt und dazu genutzt, um im unebenen Gelände und auch auf größere Distanzen den kleinen roten Punkt des Lasers ausmachen zu können. Außerdem hatte er speziellen Zement, eine Akkubohrmaschine und Edelstahlstifte zum Reparieren der Steine sowie alte Rollladengurte im Gepäck. „Manche Grenzsteine wiegen bis zu einen Zentner und ich war ja allein hier. Die Rollladengurte waren da sehr hilfreich, um die Steine wieder aufzurichten.“

In der Nähe des Brünneles, erklärt Buggle, hätten einst das Hofgebäude und eine Scheune gestanden. „Ich habe die Gegend nach Grundmauern abgesucht, aber nichts gefunden“, sagt er bedauernd. Immerhin ist er auf einen Einschnitt im Hang gestoßen, der auf einen früheren Keller hinweist.

Von Grenzstein zu Grenzstein

Sein Projekt hat Roland Buggle ausführlich dokumentiert. „Es war eine tolle Herausforderung“, sagt er – und eine abwechslungsreiche, schließlich musste er nicht nur alte Schriften lesen lernen, sondern sich in die Feldmesserei, die Steinreparatur und anderes hineinfuchsen. Gut vertraut ist ihm nun der Winkel mit aufgesetztem Kreuz, der einst den Besitz des Schorndorfer Spitals und das Areal des Fliegenhofs markierte. Immer wieder ist Roland Buggle im Wald dieses in die Grenzsteine geritzte „Fliegenhofmännle“ begegnet. Den schwarzen Kerl ohne Beine hat er aber nie getroffen.

Einsatz für Kleindenkmale

Auszeichnung
Der Kulturlandschaftspreis wird jährlich vom Schwäbischen Heimatbund und dem Sparkassenverband verliehen und ist mit 10 500 Euro dotiert. Die Preisträger erhalten jeweils 1500 Euro, Träger des Sonderpreises 500 Euro. Ausgezeichnet werden Projekte, die sich für den Erhalt der Kulturlandschaft und Umwelt einsetzen. Der Sonderpreis für Kleindenkmale honoriert das Engagement für diese Denkmäler. Diesen haben neben Roland Buggle auch Eberhard Klein aus Schlaitdorf (Kreis Esslingen) und Günther Schwarz aus Waldenbuch (Kreis Böblingen) erhalten.

Waldsiedelhof
Der Fliegenhof war erst eine Glashütte, in welcher im 15. Jahrhundert Formglas hergestellt wurde. Im 16. Jahrhundert entstand ein Hof, der im Laufe der Jahre von verschiedenen Besitzern, auch dem Kloster Adelberg, bewirtschaftet wurde. Der letzte Besitzer Jörg Lindenschmidt übergab 1623 den Hof ans Schorndorfer Spital. Im Dreißigjährigen Krieg wurde er zerstört.