Bunte Mitmachaktionen, beeindruckende Artistik und auch ein bisschen aktuelle Politik: Die elfte Kulturnacht in Stuttgart-Feuerbach hat die Besucher in vielerlei Hinsicht überrascht.

Feuerbach - Die Kulturnacht beginnt schon am Nachmittag, etwa im Sozialkaufhaus Fairkauf. Da die Trägerorganisation Caritas 100 Jahre alt wird, fällt das Programm üppiger als sonst aus. Gerade töpfern die Kleinsten mit Silvia Wegner von der Kunstwerkstatt, während draußen der Graffiti-Künstler Jeroo die Fassade des Gebäudes aufmischt. „Mama, darf der das?“ fragt ein Kind. Er darf.

 

Es sind die Mitmachaktionen, die sich wie ein roter Faden durch die Kulturnacht ziehen: Was beim Profi so selbstverständlich aussieht, wird im Eigenversuch richtig greifbar. Wer es hinkriegt, kann stolz sein wie Bolle und entdeckt vielleicht ein neues Hobby. Im Satyagraha an der Scharfenschloßstraße sind die Besucher eingeladen, beim 432-Hertz-Chor mitzusingen. Diese Frequenz soll den Energieflüssen im Körper zuträglich sein. Wahrscheinlich wirkt auch der Spaß. Immer mehr Gäste singen begeistert Weisen aus Afrika und von den neuseeländischen Maori mit. Bald muss nachgestuhlt werden, und Margarete E. Klotz fragt: „Ob wir um acht Uhr überhaupt aufhören können?“ Muss ja keiner, die Nacht ist jung.

Die Gäste haben die Qual der Wahl

So geht es weiter – der Kultur des Stadtbezirks auf der Spur. Im Atelier Diesel 28, einer Außenstelle des Behindertenzentrums bhz hat der Arbeitsgruppenleiter Jürgen Krist Material bereitgelegt, damit die Besucher kreativ werden. In der fantasievoll gestalteten Werkstatt geht das fast wie von selbst. Es ist freilich eine Abschiedsvorstellung: Bald wird man hier die Zelte abbrechen und an der Dornbirner Straße die ehemaligen cjd-Räume beziehen.

Die Kulturnacht nimmt Fahrt auf, und die Gäste haben die Qual der Wahl: Den Gospelchor Rejoice in der methodistischen Friedenskirche erleben oder Schulkunst im Neuen Gymnasium? Den Karikaturisten Peter Ruge in der Buchhandlung Schairer treffen, Künstlerin Elisabeth Kaiser im Produktionszentrum durch ihre Rosen-Performance folgen oder den Tiefbunker besichtigen?

Lange Gesichter gibt es bei den Besuchern, die sich zur New York City Dance School aufgemacht haben und vor verschlossenen Türen stehen. So verabschiedet sich das für diesen Abend sorgfältig ausgearbeitete Programm.

Im Freien Musikschulzentrum fmz zeigt der Artist Sergey Timofeev Ausschnitte aus dem Programm „Neon“ des Friedrichsbau-Varietés – ganz im Stil der 80er Jahre auf einem Zauberwürfel. Für den Ukrainer ist es ein Balanceakt im doppelten Sinn: Später wird er wie gewohnt bei der Hauptaufführung auftreten; er ist nur für eine Stippvisite hergekommen.

Grundstein für eine Zusammenarbeit ist gelegt

Der Gastgeber Andreas G. Winter freut sich über so viel Engagement: „Ich finde das ganz toll, was die Leute da oben auf die Beine stellen.“ Der Grundstein für eine Zusammenarbeit bei den kommenden Kulturnächten scheint gelegt. Wer auf den Geschmack gekommen ist: „Neon“ läuft noch bis Mitte des Monats im Friedrichsbau-Varieté auf der Prag.

Bildende Kunst gibt es auch bei der Vernissage von Natascha Mann, die im Kunsthaus Frölich ihre Werke vorstellt. Aber es ist die erste Kulturnacht nach der Auflösung des Feuerbacher Kunstvereins, und so bleibt die Burgenland-Galerie dunkel. Nachgefragt bei der Bezirksvorsteherin Andrea Klöber: Wie steht es um die weitere Nutzung der Galerieräume? „Da ist gerade ziemlich Musik drin“, sagt sie. Eben sei auch der Seniorenwerkstatt im gleichen Komplex gekündigt worden, weil die Stadt die Räume vermieten will. Ob es je wieder eine Galerienutzung geben werde, stehe in den Sternen, und die Entscheidungshoheit liege ohnehin beim städtischen Amt für Liegenschaften: Aber es habe auch noch keiner die Bereitschaft signalisiert, dort weitere Ausstellungen zu organisieren.

Als Reaktion auf die schwierige Weltpolitik gastiert der Friedenstreff Stuttgart Nord in einer Kindertagesstätte an Stuttgarter Straße. Es gibt Informationen zu Initiativen und Aktionen und ein kleines Theaterstück, in dem neben Cornelia Bergmann als Angela Merkel und Ingrid Ebinger als Ursula von der Leyen auch eine Zusammenrottung von Kriegstreibern und Hobbyzündlern ihren Auftritt haben: „Kriege sind keine Vulkane und brechen einfach aus – Kriege werden gemacht!“ lautet sein Fazit.

Auch die Feuerjonglage-Artistin Stephanie Fleschutz zündelt einige Schritte die Straße hinauf, hier aber für ihr Programm „Dance with Fire“: Feuerschweife, Lichteffekte, wabernde Nebel, dramatische Musik. Nun noch einige mitreißende Rhythmen bei den letzen Veranstaltungen genießen und das Erlebte Revue passieren lassen – so verklingt die Kulturnacht 2017. Auf ein Wiedersehen im kommenden Jahr.