Musik, Lesungen, Theater, Tanz, Malerei sowie verschiedene Aktionen machen die siebte Kulturnacht zu einem spannenden Erlebnis. Vier Shuttlebusse hatten außerdem Jazzer und Poeten an Bord.

Göppingen - Göppingen, Friedrichstraße: Die Bushaltestelle ist bevölkert wie selten. Und kein Bus kommt. „Wir warten schon eine halbe Stunde“, sagt ein Mann. Doch dann nähert sich endlich ein riesiger Gelenkbus mit der Aufschrift „Kulturnacht“. Aus seinem Innern dringt Musik, die lauter wird, als sich die Türen öffnen. Sitzplätze? Fehlanzeige. Selbst der Gang ist rappelvoll, sodass niemand befürchten muss umzufallen. Der Busfahrer ist gut drauf. Er heizt durch Göppingen. Ein Wunder, dass die drei jungen Musiker der Jazz IG des Stadtverbands Kultur, die den Bus an diesem Abend bespielen, unter diesen Umständen überhaupt einen Ton treffen. Und sie machen ihre Sache richtig gut.

 

Vier Shuttlebusse sind während der Göppinger Kulturnacht am Samstag im Einsatz. Sie befördern nicht nur die Kulturschwärmer von einem Event zum anderen. Drei von ihnen sind selbst Kultur. In einem ist Poetry Slam geboten, in einem zweiten gibt es Gespräche über die Kultur in Göppingen, und in dem großen Gelenkbus, der gegen 21 Uhr in der Friedrichstraße anhält, spielt die Musik. Aaron Buß sitzt am Schlagzeug, Sebastian Nöcker bearbeitet die Bassgitarre und André Weiß das Piano. Die Instrumente sind gut vertäut, damit sie sich nicht selbstständig machen. Trotzdem entwickelt das schwere Piano hin und wieder eine ganz eigene Dynamik, und André Weiß muss gleichzeitig spielen und sein Instrument festhalten.

Mit einem Ruck fährt der Bus an und biegt auch gleich zügig nach rechts in die Marktstraße ein. „Oh“, seufzen die Fahrgäste, und die drei Musiker, die den hinteren Teil des Busses in Beschlag genommen haben, intonieren jazzig angehaucht und mit einem eleganten Swing Stevie Wonders „Isn’t she lovely“. Schulausflugstimmung macht sich breit, nicht nur bei den jungen Fahrgästen. Das Publikum ist bunt gemischt und bestens gelaunt.

„Summertime“ auf Höhe der Tankstelle

Bei ständigen Brems- und Beschleunigungsmanövern – die vielen Kreisverkehre sind für die Musiker eine echte Herausforderung – wird die Fahrt durch Göppingen über Faurndau nach Jebenhausen und zurück zum Wunschkonzert. Flott voran und ausnahmsweise einmal geradeaus geht es auf der Stuttgarter Straße. Wie im Film ziehen die Firma Märklin und die Araltankstelle vorbei, während die drei Jazzer „Summertime“, „When the Saints“ und „We are the Champions“ souverän aus dem Ärmel schütteln. Selbst wenn die Trommeln schwanken, treffen die Stöcke von Aaron Buß, und auch wenn Sebastian Nöcker auf dem hintersten Sitz seine Bassgitarre kaum noch gebändigt kriegt, sitzt jeder Zupfer.

Bei so viel guter Musik fällt das Aussteigen schwer. Aber es lohnt sich. Schließlich ist an 30 Stationen von Theater und Musik über Lesungen bis hin zur Folklore alles geboten, was unter dem Begriff Kultur firmiert. Auf dem Marktplatz spielt bis in die späte Nacht hinein die Musik.

In der Stadtbücherei ist ein schauriges Musiktheater mit dem „Midnight Story Orchestra“ zu erleben – Graf Dracula lässt grüßen. Andrang herrscht auch in der Kunsthalle, wo die Göppinger Kulturschwärmer in Anlehnung an die berühmten One Minute Sculptures von Erwin Wurm selbst zur One Minute Sculpture werden können: Walter Ulmer legt sich ohne Umstände auf den Boden, bettet seinen Kopf auf ein Podest und platziert eine WC-Ente auf seiner Schläfe – so wie es eine Zeichnung Erwin Wurms vorgibt. Hat er keine Scheu? „Nein“, sagt er und lacht. Nachdem er bisher nur habe zuhören oder zusehen können, sei er froh, selber mal etwas zu tun. Die Kulturnacht – es ist die siebte – loben er und seine Frau Sibylle Haug-Ulmer in höchsten Tönen. „Wir haben gerade an einer tollen Führung durch die Kunsthalle teilgenommen, und auch sonst war es richtig spannend.“