Die Freie Szene würde gerne in das IW8 in Feuerbach ziehen, das Kreativareal würde die Tanz- und Theaterszene gerne beherbergen. Und dennoch befindet sich das Vorhaben in der Warteschleife. Eine unendliche Geschichte der Kulturpolitik.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Mit der freien Tanz- und Theaterszene ist es wie mit der Popkultur: Oft gehen von ihr größere Impulse aus, als es eine etablierte Kultureinrichtung zu leisten vermag, die einer bestimmten Erwartungshaltung des Publikums verpflichtet ist. Die Bandbreite der Freien Szene in Stuttgart ist enorm – dumm nur, dass sie seit Juni (wieder einmal) ohne feste Spielstätte dasteht. Bis dahin konnten die Gruppen interimsweise das ehemalige Depot der SSB im Stuttgarter Osten als Spielstätte Ost nutzen.

 

Nun bietet sich das Projekt Im Werk 8, kurz IW8, in Feuerbach seit geraumer Zeit als Herbergsvater oder -mutter der Freien Szene an. Das IW8 darf fünf Jahre lang kulturell zwischengenutzt werden, danach prüft der Gemeinderat, ob aus der Interims- eine dauerhafte Kulturstätte werden kann. Die Freie Szene hat längst ihre Bereitschaft signalisiert, nach Feuerbach in die ehemaligen Räume der Firma Behr ziehen zu wollen.

Und dennoch ist das Projekt ins Stocken geraten, so dass nun selbst die tänzerisch unverdächtige CDU im Stuttgarter Gemeinderat eine Anfrage an die Verwaltung gestellt hat, woran es denn hapere. Die sieben Fragen der CDU zielen unter anderem auf die Kosten ab, die man für einen Umzug nach Feuerbach und die technische Ertüchtigung einer der dortigen Hallen stemmen müsste.

Das IW8 hat noch andere Anfragen für die Halle

Die Anfrage an die Verwaltung datiert vom September. Bisher hat die CDU-Fraktion noch keine Antwort erhalten. „Manchmal mahlen die Mühlen eben langsamer“, sagt Jürgen Sauer, der kulturpolitische Sprecher der CDU im Gemeinderat. Sauer sei sich aber einig mit Andreas Winter, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen, dass ein Umzug der freien Tanz- und Theaterszene ins IW8 einen Gewinn für die ganze Stadt darstellen würde.

Sevil Özlük, die Macherin des IW8, wird wiederum so langsam ungeduldig. „Die Zeit der Vorbereitungen und Angebote läuft schon seit der Erstanfrage von 2013. Daher wäre es sehr schön, wenn zeitnah eine faire, offene und klärende Kommunikation für alle Beteiligten ermöglicht werden würde“, sagt Sevil Özlük. Die Nachfrage für die Hallen im IW8 in Feuerbach sei groß. „Ich reserviere derzeit eine Halle, die ich schon lange an jemand anderen hätte vermieten können“, sagt Özlük

Sevil Özlük rechnet mit Kosten von rund 600 000 Euro

Um die besagte Halle für die Freie Szene passend gestalten zu können, war Özlük im Mai dieses Jahres in einem Kostenvoranschlag auf eine Summe von rund 600 000 Euro gekommen. „Die Kosten für den Brandschutz würde ich dabei selbst tragen“, sagt Özlük. Im Rathaus kursiert dagegen derzeit eine Summe von mehr als einer Million Euro, die man bräuchte, um das IW8 für die Freie Szene zu ertüchtigen. Wer diesen Betrag in die Welt gesetzt hat und zu welchem Zweck, weiß auch Sevil Özlük nicht. Klar ist aber, dass angesichts der Fülle an Anträgen im nächsten Haushalt eine solch hohe Summe kaum darstellbar sein wird.

Auch in der Freien Szene selbst wird man langsam ungeduldig. Die Künstler verteilten vor wenigen Tagen bei den Haushaltsberatungen im Rathaus Flyer, auf denen ein Krokodil zu sehen ist – in Kombination mit dem Spruch: „Keine Sorge, wir beißen nicht, wir wollen nur ins IW8 einziehen.“

Peter Jakobeit, Sprecher der Freien Szene, wirkt am Telefon ratlos: „Bis zur Sommerpause haben uns alle politischen Entscheider signalisiert, dass sie einen Einzug der Freien Szene ins IW8 begrüßen würden. Dass die Verwaltung sich jetzt aber so viel Zeit lässt mit dem Beantworten der CDU-Anfrage, ist für uns sehr schwierig, schließlich sind die Haushaltsberatungen längst in vollem Gange“, erklärt Jakobeit.

Andere Städte investieren mehr in ihre Freie Szene

Der Ex-Geschäftsführer der Stuttgarter Kulturgemeinschaft will der Verwaltung keine böse Absicht unterstellen. „Je länger man uns warten lässt, desto schlechter sind aber unsere Chancen, noch gefördert zu werden.“ Die Freie Szene sitze ohnehin schon am Katzentisch der Förderung in Stuttgart, während andere Städte dieser Sparte mehr Aufmerksamkeit schenken würden. „Berlin hat beschlossen, die Förderung von 6,5 Millionen auf 24 Millionen Euro zu erhöhen“, sagt Jakobeit.

In Stuttgart sei die Freie Szene dagegen seit zehn Jahren auf der Suche nach einer festen Spielstätte. „Das, was wir machen, ist nichts anderes als ein Notspielbetrieb. Wir brauchen einen festen Ort, an den sich das Publikum gewöhnen kann“, so Jakobeit.

Bestes Beispiel dafür sei der Erfolg von Gauthier Dance. „Eric Gauthier und seine Compagnie konnten sich so gut entwickeln, weil sie im Theaterhaus ein festes Zuhause gefunden haben“, sagt Jakobeit. Das Tanzfestival Colours von Eric Gauthier soll auf Wunsch von OB Fritz Kuhn (Grüne) übrigens mit 350 000 Euro gefördert werden. Diese Summe hatte keine Fraktion beantragt, sondern der Künstler selbst.