Kulturstaatsministerin Monika Grütters genießt von ihrem Büro im Bundeskanzleramt einen traumhaften Blick über die Berliner Mitte. Doch wenn es um Raubkunst und Finanzen geht, um den Schlossbau oder das Einheitsdenkmal, sieht sie vor allem eines: Baustellen.

Kultur: Tim Schleider (schl)
Berlin - - Sie hat ihre ersten hundert Tage im neuen Amt gerade hinter sich gebracht – Zeit, Kulturstaatsministerin Monika Grütters zu fragen, woran sie arbeitet.
Frau Staatsministerin, seit 19 Jahren sind Sie kulturpolitisch aktiv, zunächst im Berliner Abgeordnetenhaus, dann im Bundestag. Nun sind Sie in der Bundesregierung und können endlich alles umsetzen. Wie lang ist Ihre persönliche To-do-Liste?
Natürlich ist meine kulturpolitische Agenda umfangreich. Aber es gibt Themen, die mir besonders am Herzen liegen und die ich zum Start meiner Tätigkeit im Haus mit hoher Priorität versehen habe. Dazu gehört der Umgang mit NS-Raubkunst.
Die Frage, wie man mit dem früheren Kunstbesitz jüdischer Bürger umgehen muss, der ihnen während der Nazizeit entrissen wurde, beschäftigt die Öffentlichkeit seit Jahren. Was ist da Ihre Linie?
Dieses Themengebiet hat eine komplexe politische, moralische und juristische Dimension. Es betrifft Sammlungen in öffentlichem Besitz, sei es beim Bund, in den Ländern oder Kommunen, und es betrifft Privatsammlungen. Jeder Fall ist einzeln zu bewerten. Ich plane, die Ressourcen und Kompetenzen in diesem Themengebiet zu bündeln. Die Mittel des Bundes für die Provenienzforschung, also für die Erforschung der Besitzergeschichte einzelner Kunstwerke, wollen wir verdoppeln und in Magdeburg ein Deutsches Zentrum Kulturgutverluste gründen, in dem die bisherigen Einzeleinrichtungen unter einem Dach zusammengefasst werden.
Das größte Aufsehen erregt weiter der Fall Gurlitt. Können Sie die internationale Kritik am Vorgehen der Behörden nachvollziehen?
Ich kann die große Aufmerksamkeit im Ausland und auch manche Kritik durchaus nachvollziehen. Aber, wenn es um Raubkunst geht, geht es fast immer um Geldsummen, um Zahlen, um Werte. Was wir häufig verkennen: die Bilder, die hier auftauchen, stehen symbolisch für die Biografien der vielen Opfer. Sie sind Zeichen für menschliches Leid.
Im Fall Gurlitt ist aber weiterhin unklar, wie viele der Kunstwerke in seinem Besitz unter das Rubrum Raubkunst fallen. Die Staatsanwälte in Augsburg haben dazu wenig Erhellendes beigetragen.
Die Arbeit von Ermittlungsbehörden ist nun einmal unabhängig von der Politik. Der Bund und Bayern haben rasch reagiert und Mittel für die Erforschung der Herkunft dieser Werke bereitgestellt und die Task Force für diese Provenienzrecherche eingesetzt. Zudem haben wir ja jetzt eine vertragliche Übereinkunft mit Herrn Gurlitt und seinen Vertretern abgeschlossen, dass Kunstwerke, die die Task Force als Raubkunst ermittelt, nach den Regeln der „Washingtoner Erklärung“ behandelt und freiwillig restituiert werden.