Andreas Stoch setzt auf das zweigliedrige Schulsystem. Beim Backnanger Gespräch der SPD hat der Kultusminister erläutert, wie er die baden-württembergische Bildungslandschaft umbauen will.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Backnang - Wir müssen die Bedürfnisse in den Vordergrund stellen, alles muss unter der Kontrollfrage stehen: Was ist gut für unsere Kinder?“, sagt Andreas Stoch. Am Mittwochabend hat der Kultusminister im Rahmen der SPD-Veranstaltung „Backnanger Gespräche“ seine Vorstellungen vom Umbau der Bildungslandschaft in Baden-Württemberg erläutert und Publikumsfragen beantwortet.

 

Bildungswesen nicht an die Wand fahren

Vor rund 130 Gästen, darunter waren zahlreiche Schulleiter und Lehrer, betonte Stoch, dass die momentane Veränderungsdynamik nicht künstlich gemacht sei: „Wir werden nicht um Veränderungen herum kommen, wenn wir das Bildungswesen nicht an die Wand fahren wollen.“ Das angepeilte Zwei-Säulen-Modell aus Gemeinschaftsschule und Gymnasium sei allein der demografischen Entwicklung geschuldet. Man müsse damit rechnen, dass es in zwölf bis 15 Jahren rund 20 Prozent weniger Schüler gebe. „Wenn wir nichts verändern, werden wir nicht genügend Schüler haben, um alle drei Schularten zu füllen.“ Schon zu Zeiten, als die schwarz-gelbe Koalition an der Regierung war, seien „still und heimlich mehr als 100 Schulstandorte geschlossen worden“, behauptet der SPD-Mann.

Zudem müsse man das veränderte Wahlverhalten der Eltern berücksichtigen. Während in Baden-Württemberg im Jahr 2001 noch 40 000 Hauptschüler registriert wurden, seien es zehn Jahre später nur 23 000 gewesen – zu einer Zeit, als die verbindliche Grundschulempfehlung noch Bestand gehabt hatte. Dass deren Wegfall der Entwicklung eine zusätzliche Dynamik verliehen hat, verhehlt Stoch nicht.

Der Minister will bei der jetzt angestoßenen regionalen Schulplanung dennoch auf einen Konsens setzen. Das Ziel von Schulen, Kommunen und Land müsse sein, eine hochwertige Versorgung in der Fläche aufrecht zu erhalten. Allerdings müssten einzelne Kommunen Kooperationen eingehen und sich von Schulstandorten verabschieden. Anders sei eine Stärkung des ländlichen Raums nicht zu finanzieren, und die einzigen Gewinner wären die größeren Städte.

Im Ländervergleich nur auf Platz neun

Auch das Thema Qualität müsse dringend bearbeitet werden, sagt Stoch. Laut der jüngsten Studie des Berliner Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) rangiere Baden-Württemberg auf Platz neun. „Da kann mir keiner sagen: ,alles ist gut und deshalb machen wir weiter wie bisher’“, sagt Stoch. Man müsse die Ursachen finden und die richtigen Schlüsse ziehen. Er glaubt, dass die Gemeinschaftsschule mehr Bildungsgerechtigkeit bringen wird – und eine individuellere Förderung der Schüler. Dennoch wolle er keiner Schule aufzwingen, wie sie sich künftig ausrichten solle. Eine zwangsweise Zusammenlegung von Haupt- und Realschule per Gesetz, wie sie zurzeit etwa in Rheinland-Pfalz praktiziert werde, wünsche er nicht, sagt Stoch. Das Motto dürfe aber auch nicht sein: Wie kann ich bleiben, wie ich bin?

Einigen Erwartungen aus dem Publikum, etwa dass die sogenannte demografische Rendite aus den sinkenden Schülerzahlen eins zu eins in das neue System investiert werde, erteilt er eine Absage. Schon zum Ausgleich des nächsten Landeshaushaltes werde auch der Kultusminister sein Scherflein beitragen müssen.

Weniger festlegen will sich Stoch bei der Forderung eines Lehrers, zum neunjährigen Gymnasium zurückzukehren. Man sollte den Eltern lieber klarmachen, dass das Gymnasium nicht der einzig mögliche Weg zum Abitur sei, sagt der SPD-Politiker. Deutlicher wird er hingegen bei dem Wunsch nach der Senkung der durchschnittlichen Klassengröße. Das hält Stoch zurzeit nicht für angebracht, weil es zum einen keinen wissenschaftlich erwiesenen Zusammenhang zu einem Bildungserfolg gebe und es zum anderen teuer wäre. Den Klassenteiler nur um einen Schüler zu senken, koste anderthalb Lehrerstellen, behauptet Stoch: „Das ist ein hoher Preis.“

Auch andere Forderungen, etwa nach einer Änderung des Besoldungssystems, kontert der Jurist, der erst seit gut einem Jahr im Amt ist, in eloquenter Manier: „Ich würde Ihnen gerne alle Wünsche von den Augen ablesen. Aber ich glaube nicht, dass ich es hinkriege, alle zu erfüllen. Sie sprechen alle Themen an, die ich gerne ändern würde, aber im Moment nicht kann.“

Der Kultusminister

Person
Der 44-jährige Heidenheimer Andreas Stoch hat das Amt des Kultusministers von Gabriele Warminski-Leitheußer übernommen, die Ende Januar vergangenen Jahres zurückgetreten war. Der Jurist ist mit einer Lehrerin verheiratet und hat vier Kinder. Dem Landtag gehört er seit dem Jahr 2009 an.

Projekt
Neben dem Umbau des Schulsystems zählt eine Bildungsplanreform zu den größten Aufgaben auf der Agenda des Kultusministers. Sie ist nicht nur nötig, weil die letzte Änderung zehn Jahre zurückliegt, sondern weil es wegen der Einführung der Gemeinschaftsschule künftig nicht mehr für jede einzelne weiterführende Schulart einen eigenen Plan geben wird