Sven Hallwirth möchte Stuttgart mit Kunst überziehen. Er bekommt viel Wohlwollen – aber kaum Zusagen. Und Spender halten sich bisher auch zurück.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - So viele Wände, so wenig Kunst. Wenn Sven Hallwirth von der Halbhöhe aus aus in den Talkessel schaut, plagt ihn der Anblick grauer Betonfassaden. An jeder einzelnen von ihnen, so malt er es sich aus, sollte ein Farbtupfer hängen, ein Gemälde. Keines, das er gemalt hat, denn Hallwirth ist kein Künstler, sondern Jurist, wenn auch derzeit ohne Arbeit. Um seinen Wunsch zu verwirklichen, so viele Fassaden wie möglich mit Kunst zu verschönern, hat er sogar seinen Job gekündigt. Der hatte mit den schönen Künsten nichts gemein. Hallwirth arbeitete im Büro eines Insolvenzverwalters.

 

All das klingt wahlweise spinnert oder wie der Klappentext eines Kitschromans, ungeachtet dessen laden diejenigen, bei denen er anfragt, Hallwirth ein und hören ihm zu. Er erzählt, wie er mit Manfred Parlow durch die Schleyerhalle geschlendert ist, um eine passende Wand für ein Gemälde zu finden. „Drinnen gab es tatsächlich keine Fläche“, sagt Hallwirth, „das hat mich überrascht.“ Draußen wohl. Die Entscheidung über seinen Vorschlag steht aus, aber sie wird von oberster Stelle kommen. Parlow ist der Hallenchef.

Auch am Flughafen und beim VfB empfing man Hallwirth

Auch am Flughafen ist Hallwirth empfangen worden, genauso wie im SI-Zentrum oder beim VfB Stuttgart. Bei solchen Terminen „erkläre ich den Leuten immer, dass sie keine Ausstellung unterstützen sollen, sondern dass sie das für sich tun“, sagt er, „das ist der größte Aufwand“. Zumal die allgegenwärtige Alternative für Farbklekse an Beton Geld bringt: Werbeplakate.

Kunst wird im Hupkonzert des deutschen Wirtschaftsbetriebs eben selten wahrgenommen, es sei denn womöglich als Wertanlage oder gehätschelt im Sinne des Mäzenatentums. Aber Kunst gehört nicht in Nischen wie Galerien oder die Wagenhallen, meint Hallwirth, „Kunst gehört in die Öffentlichkeit, überall in die Stadt“.

Selbstredend strebt auch Hallwirth zum Gelde – zwangsläufig. Farbe, Leinwand, Bilderrahmen kosten eben. Miete auch. Er hat Zuschussanträge ausgefüllt und verschickt, vor allem für sein Jugendprojekt. Er will den Nachwuchs malen lassen und die Werke im öffentlichen Raum aufhängen. Die Zusagen von acht Jugendhäusern hat er – aber nicht die von Zuschussgebern.

Hallwirth hat seine Ideen im Bürgerhaushalt zur Abstimmung gestellt, und auf der Crowdfunding-Seite der BW Bank versucht er gerade, 5000 Euro einzusammeln. Der Erfolg ist überschaubar. Bisher hat er einen Unterstützer gefunden, der 55 Euro gespendet hat und generell das Gefühl, gewonnen „dass es nicht richtig vorangeht“ – Wohlwollen hin oder her.

Bei der Bahn hatte er Erfolg

Ein bescheidener hörbarer Erfolg war ein Kurzbeitrag über seine Ideen im Radiosender Antenne 1, ein sichtbarer im Lokalfernsehen von Regio TV. Sein einziger tatsächlicher Erfolg hängt im Hauptbahnhof. Dort bestücken seit November wechselnde Künstler zwei goldfarbene Bilderrahmen mit Gemälden, die für jeden Passanten sichtbar vor Ort entstehen. Die Bahn ist das bisher einzige Unternehmen, das Hallwirth nicht nur angehört, sondern seinem Vorschlag zugestimmt hat.

In den vergangenen drei Monaten malten und sprühten in der Bahnhofshalle junge Künstler, acht an der Zahl. Und „inzwischen kriege ich schon Anfragen“, sagt Hallwirth. Anfangs musste stets er bei den Künstlern anfragen. In diesem Sinne hat er auch bei einem Veteranen des Expressionismus vorgesprochen, bei Jürgen Leippert, der im vergangenen Jahr seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert hat. Ihm im Bahnhof beim Malen zuzusehen, „wäre ein richtiger Knaller“, sagt Hallwirth. Aber auch für Leippert gilt: Die Zusage steht aus – oder die Absage.

Derzeit ist der Maler mal wieder im Ausland. „Zehn, zwanzig Mails pro Tag“ verschickt Hallwirth, um seine Sache voranzubringen. Seit neustem mit Anhängen, die verdeutlichen, wie er sich den Blick in den Talkessel vorstellt. Zumindest am Computer hat er schon mal die Farbtupfer an all die grauen Betonfassaden montiert.