Der Galerist Marko Schacher hat in seinem „Raum für Kunst“ das Buchprojekt „erundsie“ von Anne Schubert und Roman Mares vorgestellt – inklusive Kunstspeisung.

Stuttgart - Der Matinée-Brunch ist bereitet. Auf einem rotkarierten Tischtuch harren ein Riesenlaib Brot, mehrere Flaschen Wodka und zwei Teller geräucherter Sprotten der Hungrigen. Betende Marienfiguren auf Stellagen und Kommödchen geben ihren Segen zu dieser genussvollen Kunstspeisung. Willkommen im Klub Krakow. Der Name prangt gülden an der Wand des Nebenzimmers im Schacher’schen „Raum für Kunst“. Er wurde temporär zur polnischen Aktionskneipe umfunktioniert – als Teil der Ausstellung „Justyna Koeke, Roman Mares - Frauen und andere Tiere“. „Justyna ist in Krakau geboren, ich habe dort eine auf die Nase bekommen“, sagt Roman Mares. „Hier ist also der Raum für Postintegration, Traumatherapie und informelle Begegnungen!“

 

Und nun auch der Schauplatz, um ein Buchprojekt des Gestalters Mares und der Fotografin Anne Schubert vorzustellen: „erundsie“. Seit über vier Jahren sind die beiden in Stuttgart unterwegs, suchen geeignete Orte zu ihren kurzen, lyrischen Texten, die im Austausch entstehen. Alles habe damit angefangen, dass Mares Schubert mal einen Sinnspruch gemailt, sie geantwortet habe. „Wir wollten dies irgendwie draußen festhalten. Dann kam die Idee, es als Buch zu dokumentieren“, sagt Schubert.

Die Sprüche wirken als poetische Botschaften noch Jahre nach

So machten sie sich – mit Schablonen, Aceton und anderen Mitteln der Transfertechnik bewaffnet – auf den Weg, um ihre Sätze an ausgewählten Orten zu verankern und zu fotografieren, beschrieben etwa die Vitrinen eines Museums am frühen Morgen oder Bäume im Wald. Dabei seien sie spontan und intuitiv vorgegangen. „Die Orte mussten ineinander greifen“, so Schubert.

Der Spruch „Sie bestellte Fisch und er brachte ihr den Ozean“ kam beispielsweise auf einen Teller des Fischmarkts, oder „Sie durchbrach die Schallmauer und er folgte ihr“ verewigten sie an einem Holzverschlag beim Kaufhaus Breuninger. „Nichts wurde zerstört. Die Farben waren leicht abzuwischen“, so Schubert. Und Mares erinnert sich, dass schon mitunter Leute fragten, was sie da machten. Aber Probleme habe es nie gegeben.

Insgesamt entstanden so bisher über 70 Werke, manche sind heute noch Teil des Stadt- oder Landschaftsbilds, wirken als Spuren und poetische Botschaften in ihrer Umgebung Jahre nach. Andere sind längst wieder verschwunden, gereinigt vom Putzdienst oder aufgelöst durch Wind und Wetter. „Es geht nicht nur um den Dialog von Mann und Frau, sondern um den zwischen allen Geschlechtern, um den mit anderen Menschen, der Umgebung. Ich mag die Mehrdeutigkeit“, so Mares. Schubert ergänzt: „Es sind universelle Geschichten, jeder liest die Sätze anders, so entstehen immer andere Bilder im Kopf.“

Die Ausstellung ist noch bis Mitte Mai zu sehen

Es ist denn auch ein Anliegen der beiden, mehr Poesie in diese hektische, zunehmend von Gewalt geschüttelte Welt zu bringen, damit diese „homöopathische Wurzeln“ schlagen möge, wie es in der Rede von Uwe J. Reinhardt heißt. „Wenn dabei jemand innehält, nachdenkt, ist etwas erreicht“, so Mares.

Im Klub Krakow waren am Sonntag ausgewählte Motive der beiden als Edition 01 in einer „One-Day-Only-Fotoausstellung“ zu sehen. Aber das Buch bleibt. Die vielen „poetischen Begegnungen zwischen Worten und Orten“, etwa das auf einen Glasboden gesprühte „Sie lag in der Luft und er legte sich daneben“ oder „Sie war seine Insel“ – auf einem im Wasser treibenden Blatt fotografiert –, ist im „Schacher – Raum für Kunst“ und bei Schubert und Mares für 50 Euro zu erstehen.