Aus Tesfaye Urgessas Figuren spricht die Verletzlichkeit der menschlichen Seele. Der Künstler macht uns auf Absurdes aufmerksam und ermuntert zu einer „Auszeit“. Die Ausstellung mit diesem Titel ist in der städtischen Galerie zu sehen.

Wendlingen - Wendlingen und Venedig – unterschiedlicher könnten zwei Städte wohl kaum sein. Und doch haben sie eines gemeinsam. In beiden hängen Bilder von Tesfaye Urgessa. Mit zwei Werken ist der Künstler im Rahmenprogramm der diesjährigen Biennale vertreten. Kürzer ist der Weg in die städtische Galerie Wendlingen, wo noch bis zum 5. November die Ausstellung „Auszeit“ zu sehen ist.

 

Annäherung an die Wahrheit durch Verfremdung

Als „tesfayesk“ hat der Stuttgarter Galerist Marko Schacher die Bilder des Nürtinger Künstlers einmal bezeichnet. Um seinen Stil zu beschreiben, sind auch Vergleiche mit Francis Bacon angestellt worden. Tesfaye Urgessa malt menschliche Körper, mal einzeln, mal zu zweit oder auch in Gruppen. Oftmals sind diese Körper deformiert, fragmentiert. Die Perspektiven lassen das Motiv ins Surreale und Rätselhafte kippen.

Die Form des menschlichen Körpers zerstört er, weil eine realistische Abbildung niemals die Realität treffen würde. Diese beschreibt sich aus der Sicht des Künstlers am ehesten durch die Umformung von Körpern, erst durch das Weglassen und Verfremdung nähern wir uns der Wahrheit.

Der Künstler lässt sich auf Experimente ein

Tesfaye Urgessa ist in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba geboren und aufgewachsen. Nach einem Kunststudium dort kam er vor acht Jahren mit einem Stipendium in der Tasche nach Stuttgart, wo er sich an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste einschrieb. Nach dem Abschluss stellten sich für den aufstrebenden Künstler rasch Erfolge ein. So schaffte er es unter anderem vor zwei Jahren bis ins Finale des Wettbewerbs der Kunststudenten der Bundeskunsthalle Bonn.

Nackt sind die Figuren Tesfaye Urgessas. In ihrer Nacktheit beraubt er die Körper jedoch nie ihrer Würde. In den Gemälden kommt die Verletzlichkeit der menschlichen Seele zum Ausdruck. Selbst beschreibt der 34-Jährige, der auch an der Freien Kunstakademie Nürtingen unterrichtet, seine Arbeiten so: „Kurz gesagt sind die meisten dieser Gemälde der Versuch, Gefühle ohne klare Bedeutungen zu transportieren – falls das überhaupt möglich ist.“ Es sind abenteuerliche Reisen, die voller Ungewissheiten stecken. Im Atelier lasse er sich jeden Tag aufs Neue von dem überraschen, was während des Schaffensprozesses gerade passiert. Den Mut sich zu trauen, immer weiter zu experimentieren ist charakteristisch für Tesfaye Urgessas Kunstauffassung.

Ausstellung lädt zum Abschalten und Luftholen ein

Er versuche immer so zu malen, „wie ich zu einem Freund spreche, mit dem ich alles teilen kann“. So entsteht ein innerer Dialog über Malerei und Zeichnung, über Raum und Form. Etwas Grenzenloses – unser Gedankenraum – befindet sich sich in einem geschlossenen Körper. Werktitel wie „No country for young men“ oder „Home wherever you may be“ bringen eines zum Ausdruck: Es geht nicht um Länder und Grenzen, sondern um Vorstellungen.

Aus den Kunstwerken spricht auch manche Absurdität unseres Daseins. „Auszeit“ – der Titel der Ausstellung ist bewusst gewählt. Denn der Künstler wünscht sich eine Auszeit – von der Flut von Nachrichten, Bildern und Informationen über menschliche Schicksale, die täglich auf einen einstürmen und denen man sich nur sehr schwer entziehen kann.

Ausstellungen und mehr

Spektrum
Die Stadt Wendlingen kaufte 1979 die Wohnvilla Weberstraße 2 und baute sie bis 1982 zur Galerie um. Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und Kabarettveranstaltungen sollen hier lebendige Kultur vermitteln. Der Galerieverein will vor allem jungen, förderungswürdigen Künstlern ein Forum bieten.

Öffnungszeiten
Die Ausstellung Auszeit mit 58 Werken von Tesfaye Urgessa ist noch bis zum 5. November zu sehen. Die Galerie hat geöffnet mittwochs bis samstags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr. An Allerheiligen, 1. November, ist die Galerie offen.