Mit einem Riesenbanner an der Stadtbibliothek erregte ein Stuttgarter Künstlerkollektiv großes Aufsehen. Die Aktion sei aber nicht gezielt gegen das Milaneo oder dessen Kunden gerichtet gewesen, betonen die Macher.

S-Mitte - Das Banner, das jüngst an der Fassade der Stadtbibliothek am Mailänder Platz hing, war kaum zu übersehen. 20 Meter breit, 20 Meter lang, „I’m with stupid“ war darauf zu lesen, was als „Ich bin mit einem Dummkopf unterwegs“ verstanden werden kann. Darunter zeigte ein Pfeil in Richtung Milaneo. Die Aktion schlug Wellen, vor allem im Internet: Der Spiegel-Online-Ableger Bento berichtete darüber, die Online-Ausgabe der Welt sprach von gut durchdachter Konsumkritik und Focus-Online sah durch die Aktion das „Mega-Einkaufszentrum“ veräppelt.

 

Doch das Banner sei sich nicht explizit gegen das Milaneo gerichtet gewesen, betonen die Künstler, die hinter dem Ganzen stecken: „Der Pfeil zeigt weder auf die Menschen, die dort einkaufen, noch auf die, die dort arbeiten. Es geht nicht um den Konsumtempel an sich.“ Vielmehr soll das Gebäude als Symbol für die dahinter liegenden Strukturen, die Aktion als Protest gegen die neoliberale kapitalistische Produktionsweise verstanden werden, erklären die Macher vom Kollektiv Mailand/Innenhof. Dahinter verbirgt sich eine Gruppe Künstlerinnen und Künstler, die im Herbst vergangenen Jahres mehr als 1000 Kot-Attrappen am Killesberg ausgelegt hatte – um auf die Menschen zuzugehen, wie Frida Innenhof und Günther Mailand seinerzeit erklärten. Zwar studieren Teile des Kollektivs an der Akademie der Bildenden Künste, die Aktion an der Stadtbibliothek sei aber unabhängig von der Kunsthochschule gewesen.

Von den Reaktionen überrascht

Die Reaktionen auf das Banner haben das Kollektiv etwas überrascht: „Der Spruch ist in Deutschland offenbar weniger populär als in anderen Ländern.“ Bekannt geworden sei er durch die Zeichentrickserie „South Park“, in der die Mutter einer der Hauptfiguren meist ein T-Shirt trage, auf dem der Spruch zu lesen ist und der Pfeil auf ihren Mann zeige. Für die Künstlerinnen ein Symbol dafür, mit etwas verbunden zu sein, was man dumm findet, von dem man sich aber nicht lösen kann. Und da sehen sie Parallelen zum Kapitalismus, der für viele Probleme dieser Welt verantwortlich gemacht und kritisiert werden könne, für Elend und Ausbeutung, für hungernde Menschen in Bangladesch ebenso wie für Burn-Out-Erkrankungen hierzulande. „Diese Probleme können nicht durch ein verändertes Konsumverhalten oder so einen Scheiß gelöst werden“, meinen die Künstler. Schließlich handle es sich nicht um Fehler im System, die kapitalistische Wirtschaftsordnung bringe diese Auswüchse zwangsläufig hervor.

Deshalb gehe es ihnen auch nicht darum, moralisch den Zeigefinger zu heben und den Kunden des Milaneo unmoralisches Verhalten vorzuwerfen: „Es ist keine individualisierte Konsumkritik, nicht gegen die Leute gerichtet, die die billigen Klamotten kaufen.“ Die Frage, die sie aufwerfen wollten, sie die, ob es nicht etwas anderes geben kann, als die ganze Woche hart zu arbeiten, um dann am Wochenende in Einkaufszentren wie dem Milaneo rumzuhängen. Auf die Idee zu der Aktion seien sie gekommen, als einer der Künstler nach einem grauenhaften Termin beim Jobcenter mit dem Gedanken gespielt habe, sich vom Dach der Bibliothek in den Tod zu stürzen. „Aber dann habe ich das Milaneo gesehen und gedacht: Wie dumm ist denn das?“ So habe er beschlossen, statt seiner selbst die Systemkritik hinabzustürzen.

Mit Seilen hochgezogen

Dass die Botschaft an einer Bücherei angebracht war, sei in der riesigen Fassade begründet und daher eher ein passender Zufall als ein symbolischer Akt gewesen: „Für den unfassbar platten Witz hat die Bibliothek gut hergehalten.“ Zu siebt seien sie dafür ohne sich anzumelden während der regulären Öffnungszeiten in die Stadtbibliothek gegangen. Das Banner, für das zuvor die 400 Quadratmeter große weiße Gewebeplane mit schwarzer Folie beklebt wurde, hätten sie vor der Fassade des Betonwürfels deponiert. Vom Dach der Bibliothek hätten sie Seile heruntergelassen, an denen Helfer draußen das Banner befestigten. Anschließend hätten sie es hochgezogen und festgehalten „Es hing genau so lange, wie es gut war“, sagen die Künstler heute. „Im Internet hängt es ein Leben lang.“

Von Seiten der Stadtbibliothek heißt es, man schätze die Nachbarschaft und lege Wert auf ein gutes Verhältnis. Das Haus, stehe allen Bürgern offen und sei keinesfalls eine Bühne für die Meinungsäußerung Dritter.