Von Rubens bis Picasso, von Barock bis Hundertwasser: Die stattliche Sammlung der Wiener Akademie der Bildenden Künste ist in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall zu Gast.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Schwäbisch Hall - Einige Künstler könnten sich bei Carl Moll eine Scheibe abschneiden. Ateliers wirken heute häufig wie Schlachtfelder. Der Boden ist mit etlichen Farbschichten bedeckt, die Wände mit Pinselstrichen überzogen, und jeder Zentimeter zeugt davon, wie energisch und enthemmt hier gearbeitet wird. Carl Molls Atelier war dagegen sauber, aufgeräumt und kultiviert wie er selbst. Das Gemälde, das er 1906 von den Räumlichkeiten angefertigte, zeigt auch den Künstler selbst am Schreibtisch arbeitend – selbstverständlich in Anzug und Weste.

 

Auch Ateliers können interessante Bildmotive sein, weshalb die Kunsthalle Würth ihnen derzeit eine eigene Sektion widmet. In dem Ausstellungshaus in Schwäbisch Hall ist eine prominente Sammlung zu Gast: die Kunstsammlung der Akademie der Bildenden Künste Wien. „Verborgene Schätze aus Wien“ nennt sich die Ausstellung mit einem Querschnitt dessen, was Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett und Glyptothek in Wien zu bieten haben: Landschaften und Porträts, Genrebilder und Mythologisches, Stillleben und Seestücke – und eben auch Atelierszenen, die zeigen, wie sich die künstlerische Arbeit verändert hat. So hat Martin Ferdinand Quadal 1787 den „Aktsaal der Wiener Akademie“ gemalt, in dem gut gekleidete Herren mit grau gepuderten Zöpfen einen männlichen Akt zeichnen. Das Modell in Denkerpose hat seine Nacktheit selbstverständlich keusch verhüllt.

1692 wurde die Wiener Kunstakademie gegründet. Zunächst wurden nur Werke der Akademiemitglieder gesammelt; nachdem 1822 aber eine bedeutende Gemäldesammlung ans Haus kam, entwickelte sich die Gemäldegalerie zu einer der großen, wichtigen Sammlungen, deren Bestände von der Antike bis in die Gegenwart reichen. 400 Arbeiten haben nun die Reise nach Schwäbisch Hall angetreten, darunter Namhaftes von Rubens und Rembrandt, von Dürer und Altdorfer. Den Auftakt der Schau machen Porträts, wobei Jacob Matthias Schmuzer, der von seinen Kollegen Franz Messmer und Jacob Kohl um 1767 gemalt wurde, arg derangiert ausschaut. Die Knöpfe der Weste sind aufgesprungen, die Halsschleife hängt lose, das Gesicht wirkt wie entrückt. Ein leichtes Gewerbe scheint die Kunst auch damals nicht gewesen zu sein.

Die Schau springt kreuz und quer durch Stile und Epochen

Die Ausstellung kehrt immer wieder zum Künstlertum zurück – etwa zu Heinrich Friedrich Füger, der seinen vierjährigen Sohn als Künstler dargestellt hat, der selbstbewusst Pinsel und Palette präsentiert. Auch Cornelis de Vos (1584–1651) hat einen Vierjährigen gemalt, der kess in aufwendiger Garderobe posiert. Dann aber springt die Ausstellung kühn vom 17. ins 20. Jahrhundert zu Pablo Picasso und dessen „Bekröntem Mädchen mit Schiff“ (1939), das flächig und kantig dargestellt ist.

Es ist nicht einfach, die extrem breit angelegte Sammlung, die auch Fotografie und steinerne Friese umfasst, sinnvoll zu strukturieren. Das Kuratorenteam aber hat sich die Arbeit etwas zu einfach gemacht und die Leihgaben thematisch gebündelt, sodass die Ausstellung innerhalb der Sektionen Landschaft oder Stillleben kreuz und quer durch Stile, Zeiten und Nationen springt. Hier der niederländische Barockmaler Jacob van Ruisdael, dort Gebäude, die Friedensreich Hundertwasser auf der Leinwand in bunte Ornamente verwandelt hat. Andy Warhols Siebdruck von Friedrich II gesellt sich zu Peter Paul Rubens, der „Kaiser Maximilian I“ (1635) in voller Rüstung auf goldenem Thron mit Zepter und Krone gemalt hat, hinter diesen Insignien der Macht aber Menschliches aufblitzen lässt.

Auch hübsch: Rubens’ „Säugender Tiger“

Als wäre es nicht schwierig genug, die Fülle dieser heterogenen Werke schlüssig zu präsentieren, haben die Kuratoren auch noch Arbeiten aus der Sammlung Würth hinzugefügt, die mit Österreich zu tun haben – dabei ist die Wiener Sammlung keineswegs national, sondern dezidiert international angelegt. Sie kann einen beachtlichen Bestand an Niederländern vorweisen, es finden sich aber auch Arbeiten hessischer Künstler und auch von dem Waiblinger Maler Uwe Droemer, der 2002 in Dresden ein lapidares Stillleben aus Fahrradteilen und Glasschale arrangiert und abgemalt hat.

So versucht man beim Rundgang am besten gar nicht erst, Zusammenhänge zu erstellen, Sammlungsstrategien zu entschlüsseln oder der Geschichte der Wiener Akademie und der Kunstausbildung nachzuspüren, sondern erfreut sich an einzelnen Werken wie Courbets „Felsiger Landschaft bei Ornans“ (1855 bis 1860), die mit freiem Duktus nur noch angedeutet wird. Hübsch auch der „Säugende Tiger“ von Rubens (um 1620), auf dem die Mutter mit sehr müdem Blick die kleinen Fleischpakete gewähren lässt, die an ihren Brustwarzen hängen.