Gerhard und Ariane Sentner haben seit 60 Jahren ihre Goldschmiedewerkstatt. Am Bohnenvierteltag am 20. September geben sie zusammen mit zahlreichen anderen ansässigen Kunsthandwerkern Einblicke hinter die Kulissen ihres Handwerksbetriebs.

Lokales: Sybille Neth (sne)

S-Mitte - Der Aquarellkasten ist fast genauso häufig im Einsatz wie die zahlreichen feinen Feilen. In 60 Jahren als Goldschmied hat Gerhard Sentner weit über 1000 Entwürfe für Colliers, Anhänger, Ringe, Armbänder und Objekte aus Gold und Edelsteinen angefertigt. Mit Akribie koloriert der 75-Jährige seine Bilder, damit sich der Kunde eine möglichst genaue Vorstellung von dem künftigen Schmuckstück machen kann. Sentner führt keine Konfektion, er fertigt Schmuck nach den Wünschen seiner Kunden an und ist zusammen mit Ehefrau und Kollegin Ariane immer auf der Suche nach altem Schmuck, nach bizarren Perlen oder nach Edelsteinen in besonderen Farben.

 

Von den Fundstücken lässt er sich inspirieren. So wurden aus einer länglichen, gekrümmten Naturperle Kopf und Hals eines Pfaus zum Anstecken. Die schmucken Objekte sind Sentners Spezialität und mancher Stammkunde kommt genau deshalb zu ihm ins Bohnenviertel. „Wir sind erstaunt, wie viele Kunden uns hierher gefolgt sind“, freut sich Ariane Sentner. Vor knapp zehn Jahren zog das Goldschmiedepaar hierher um und lobt die gute Atmosphäre. „Einmal wurde bei uns eingebrochen. Die Nachbarn haben die Polizei alarmiert“, berichtet Gerhard Sentner. Alle Auslagen wandern abends in den stattlichen Tresor. „Sieben Tonnen wiegt er“, schmunzelt Sentner und berichtet, wie er ihn mit einem Spezialtransport aus seinem früheren Geschäft an der Königstraße ins Bohnenviertel hatte bringen lassen, wo ihm heute die Passanten bei der Arbeit an der Werkbank durchs Schaufenster zusehen können.

Ein Zettel im Schaufenster: „Wir wollen hier raus“

Zuvor hatten die beiden Goldschmiede 30 Jahre lang ihre Werkstatt im Schaufenster ihres Ladengeschäftes in der heute nicht mehr existierenden Europapassage zwischen König-und Kronprinzstraße gehabt. „Das hat viele Leute neugierig gemacht, und sie wollten sehen, was wir machen“, berichtet Ariane Sentner. Zwei Mitarbeiter und Auszubildende hatten sie damals in ihrem Betrieb. Doch die letzten Jahre in der Citylage waren wenig erfreulich – wegen der steigenden Ladenmiete. „Wir hatten jahrelang einen sehr freundlichen Vermieter. Nach seinem Tod aber verwahrloste die Immobilie, und die Versicherung, die sie verwaltet hatte, erhöhte stetig die Miete“, berichtet Ariane Sentner. „Wir konnten nicht kündigen, weil wir einen Zehnjahresvertrag hatten“, erzählt sie. Schließlich hängte das Kunsthandwerkerpaar einen Zettel ins Schaufenster, auf dem stand: „Wir wollen hier raus.“

Ende 2004 war es soweit. Fünf Jahre wollten sie danach im Bohnenviertel bleiben. Inzwischen sind es schon zehn. „Man kann sich hier natürlich nicht hinsetzen und warten, bis das Glück vorbei kommt“, charakterisiert Ariane Sentner die Situation der Händler und lobt das Bohnenviertelfest, weil es viele neue Kunden bringe. Außerdem lockt das Goldschmiedepaar regelmäßig mit besonderen Aktionen in sein Geschäft. Geöffnet ist erst ab Mittwoch, denn „man muss dem Alter auch etwas Respekt zollen“, lächelt Gerhard Sentner. „Auch ohne Laden mit Werkstatt hätte ich weitergeschafft – zuhause eben.“ Sentner gehört zu den Glücklichen, denen der Beruf zugleich Hobby ist.

Begonnen hat er 1965 mit einer Werkstatt im Hinterhof der seit kurzem geschlossenen Leonhards-Apotheke an der Esslinger Straße. „Ich hatte zehn Goldschmiede als Mitarbeiter“, erzählt er. Sein Betrieb reparierte Schmuckstücke für andere Juweliere. „Man musste wissen, dass wir hinten im Hof sind“, erzählt er. Ein Ladengeschäft gab es nicht.

Im Bohnenviertel lebt es sich wie in Klein-Paris

Adolf Gienger hatte die Werkstatt entdeckt und ist seither Stammkunde bei Sentners und treuer Besucher im Bohnenviertel. „Ich habe einige Schmuckstücke und Objekte von ihm. Wie viel, verrate ich nicht.“ Weil Sentner jedoch selbst kreativ sein wollte, übernahm er in Ende der 70er Jahre ein Geschäft an der Eberhardstraße, bevor er schließlich in die Europassage zog.

Das Bohnenviertel empfindet die frankophile Ariane Sentner heute „wie Klein-Paris“. Beim dritten Handwerkermarkt am 20. September präsentieren die beiden Goldschmiede ihre Kostbarkeiten und deren Entstehung dem Publikum.