In Basel ist das Kunstmuseum der Architekten Bonatz und Christ erweitert worden. Der Neubau von Christ und Gantenbein nimmt den Dialog mit dem denkmalgeschützten Bestand auf.

Basel - Ein Heimspiel war es für die Architekten nicht. Im Wettbewerb von 2010 konkurrierten zweihundert Büros um das Projekt, darunter allein sechs Pritzkerpreisträger. Und dass nur die bessere Ortskenntnis den jungen Basler Architekten Emanuel Christ und Christoph Gantenbein am Ende aufs Siegertreppchen verholfen hat, kann auch nicht der Grund sein, denn selbst so international erfahrene Lokalmatadore wie Diener und Diener wurden von den damaligen Newcomern auf Platz zwei verwiesen. Die massive Brücke, mit der die Dieners Alt- und Neubau des Basler Kunstmuseums über die Straße hinweg verbinden wollten, wäre eben auch die allenfalls zweitbeste Lösung gewesen, keine Zier für das Stadtbild und ein tiefer Eingriff in den denkmalgeschützten Bestand.

 

Denn das war die Schwierigkeit bei diesem Plan, das aus allen Nähten platzende Museum von Paul Bonatz und Rudolf Christ aus dem Jahr 1936 zu erweitern: Das (von einer Mäzenin spendierte) Grundstück befindet sich dem Altbau gegenüber auf der anderen Straßenseite, im Zwickel zwischen der vielbefahrenen Dufourstraße und St. Alban-Vorstadt. Es galt daher, nicht bloß eine funktionale Verbindung zwischen den beiden Häusern zu schaffen, sondern ihre Zusammengehörigkeit auch räumlich und architektonisch zum Ausdruck zu bringen. Verknüpft sind sie jetzt unterirdisch, und das nicht etwa durch eine gruftige Unterführung, sondern durch eine großzügige Raumfolge, die in einen üppig bemessenen, vielfältig als Foyer oder für Veranstaltungs- und Ausstellungszwecke zu gebrauchenden Saal mündet.

Verblüffend ist aber vor allem die Figur, die Christ und Gantenbein ihrem Museum über dem Boden gegeben haben. Wie eine Zitadelle ragt es neben dem Altbau auf – ein archaisch wirkender, wuchtiger, bis auf wenige Fensteröffnungen nahezu geschlossener Monolith, der dennoch etwas Leichtes, Flüchtiges hat, wie Nebel. Hervorgerufen wird dieser Effekt von den unterschiedlich grau, im Sockelbereich dunkler, nach oben hin heller getönten Streifen, die das Motiv der horizontalen Bänder an der Fassade des Bonatz-Museums aufnehmen. Die vor- und zurückspringenden Lagen der superflachen grauen Ziegel, die dieses Basler Kastell zu einem entfernten Verwandten unverputzter italienischer Kirchen und auch von Peter Zumthors Kölner Columba-Museum machen, verstärken diesen Eindruck der Ambivalenz: eines bei aller Schwere flirrenden Körpers.

Der Fries aus Steinen leuchtet

Clou der Fassade ist jedoch ein umlaufender Fries aus dunklerem Backstein, auf dem der scheinbar gemauerte Titel der Eröffnungsschau zu lesen steht: „Sculpture on the Move“. Der Besucher wundert sich. Muss hier künftig bei jedem Ausstellungswechsel ein Handwerkertrupp mit Kelle und Mörtel anrücken? Weit gefehlt, in Basel lebt man nicht hinter dem Mond. Der Fries, dieses uralte architektonische Stilelement, erscheint hier in seiner Hightech-Variante. In die Rillen der Friessteine sind unsichtbar LED-Streifen eingelegt, so dass durch die Licht- und Schattenwirkung in den Fugen Bilder und Buchstaben programmiert werden können. Und so macht auch dieses raffinierte Schmuckband klar, dass die Ambivalenz zwischen traditionellen Formen und ihrer neuen Auslegung ein Wesensmerkmal dieses Neubaus ist. Der gleichen Logik gehorchen die groben, eher dem Industrie- als dem Museumsbau entstammenden Stahlgitter vor Türen und Fenstern, die so gar nicht zur Würde der Steinmauern passen wollen. Ihr Haus solle eben nicht nur „feierlicher Palazzo“ sein, sondern zugleich auch Hangar, weil auch die Kunst ja längst nicht mehr nach Tempeln verlangt, sagt dazu Emanuel Christ – übrigens ein Großneffe des Basler Architekten und Bonatz-Partners Rudolf Christ.

Das Innere wird von dem monumentalen Treppenhaus beherrscht, einer kolossalen Raumskulptur, der sich zu beiden Seiten die Ausstellungsräume anschließen. Und hier begegnet man ihr wieder: dieser häufig anzutreffenden unglaublichen Schweizer Perfektion, mit der ein einziger Farbton in verschiedenen Materialien durchgezogen wird, so dass sich der graue Kratzputz der tragenden Mauern im Atrium mit dem mattschimmernden Marmor der Böden und Brüstungen und dem hochglänzenden feuerverzinkten Stahlblech einiger Wände zu einer ästhetischen Einheit verbindet, das Ganze eine Sinfonie in Grau, geplant und gefügt mit Uhrmacherpräzision und frei von allem, was Oberflächen in öffentlichen Gebäuden heutzutage wie Ausschlag überzieht: Fluchtschilder, Rauchmelder, Kameras, Lichtschalter, Wegweiser, Deckenspots . . .

Der Kunst wird der Vortritt gelassen

„Farbe“ kommt dann durch das braune Eichenparkett in den Ausstellungsräumen ins Spiel. Diese sind verschieden groß, vom intimeren Kabinett bis zum weitläufigen Saal, haben aber allesamt einen rechtwinkligen Grundriss, was ein planerisches Kunststück für sich ist auf dem relativ kleinen, trapezförmig zugeschnittenen Baugrund. Ruhig und zurückhaltend in Form und Material, entsprechen sie der klassischen Vorstellung von Museumsräumen. Einzig die Betonelemente, die als sichtbare Konstruktionsteile die Ausstellungsräume überspannen, bringen wieder die prägende Ambivalenz zwischen Tradition und Traditionsbruch hinein – ein (ins Wuchtige gesteigerter) Widerhall der Rippendecke im Foyer des Altbaus mit starker physischer Präsenz. Dennoch: der Kunst wird hier der Vortritt gelassen, wie die Architekten es formulieren. Die Zeit der selbstverliebt-exzentrischen Museumsbauten ist vorbei, diese nicht ganz neue Diagnose wird durch das Basler Gebäude erneut bestätigt.

In Bezug auf das Zusammenspiel von Alt- und Neubau sprechen Christ und Gantenbein von einem Paar. Städtebaulich steht ihr Haus in der Flucht der Museumsbauten am St. Alban-Graben, zu denen seit einiger Zeit auch ein ehemaliges, zur Museumsbibliothek umfunktioniertes Bankgebäude zählt. Nur eine markant vorspringende Ecke wagt sich einen Schritt vor in den Straßenraum, so als wollte der Neubau signalisieren „Grüezi, hier bin ich“.

Aber der Gesamtgestus zeugt nicht von Übertrumpfung, sondern Respekt. Klein macht sich der jüngere Bruder des Kunstmuseums deswegen nicht. Auch wenn er in Material und Ausmaßen bescheidener auftritt als sein Altvorderer – der Anspruch zielt unverkennbar auf Ewigkeit, auf eine „zeitlose und nachhaltige Architektur“, um nochmals die Architekten zu zitieren. Die Stadt als Bauherr ist ihnen in diesem Anspruch gefolgt. „Wir sind nicht kleinkrämerisch“, sagte der Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt vor der Eröffnung mit stolzgeschwellter Brust. 100 Millionen Franken hat die Erweiterung des Kunstmuseums gekostet, wovon die Hälfte, sage und schreibe 50 Millionen, allerdings die private Laurenz-Stiftung übernahm.

Aus Stuttgart blickt man mit einiger Wehmut auf die Hochachtung, mit der Basel sein Kunstmuseum behandelt. Hier, am Neckar, wurde die angeblich kryptofaschistische Architektur von Bonatz’ Bahnhof als Rechtfertigung für die Verstümmelung seines Hauptwerks ins Feld geführt. Am Rhein stieß seine „gebaute Eloge auf den schönen Stein“, wie der Architekturhistoriker Wolfgang Voigt das Basler Museum genannt hat, zwar anfänglich auf den Widerstand der Modernisten, heute ist von dieser einstigen Aversion jedoch nichts mehr zu spüren. Sorgfältig saniert, enthüllt das Gebäude jedem Besucher der großartigen Sammlung seine Vorzüge. Und wer hindurchspaziert, merkt, was dem hyperperfekten Neubau im Vergleich zu diesem etwas altmodischen Haus fehlt: ein Tick Gelassenheit.