Die beliebteste Toilette der Stadt steht im Kunstmuseum. Mit dem stillen Örtchen hat das Museum seine liebe Not – und will es unbeliebt machen.

Stuttgart - Die Offenheit für jedermann gehört zum Selbstverständnis des Kunstmuseums am Schlossplatz. Vom ersten Tag der Eröffnung an hat das Museum aber damit seine liebe Not. Ohne eigenes Zutun entwickelte sich der Musenwürfel bar jeder Kunst ganz nebenbei zur idealen Örtchenadresse in bester Innenstadtlage. Anfangs gab man sich ob des öffentlichen Ansturms auf die WC-Anlage im Untergeschoss gelassen und generös, dann wagte man mit einem freiwilligen Obolus den Zustrom zu verringern. Allerdings ohne Erfolg. Jetzt greift die Museumsleitung entnervt zur Zwangsmaßnahme. Wer muss, muss neuerdings einen Euro zahlen.

 

Schuld daran ist der Weihnachtsmarkt, dessen Besuchermassen auch das Untergeschoss des Kunstmuseums stürmten – frei nach der Devise: lieber ein ordentliches WC zum Nulltarif als ein Dixi-Klo oder ein öffentliches WC für 50 Cent. „Es war einfach ein untragbarer Zustand entstanden, unsere eigenen Besucher und die Gastronomiegäste mussten mit den Weihnachtsmarktbesuchern vor der Toilette Schlange stehen“, begründet die Museumssprecherin Eva Klingenstein das neue Preisgeld, von dem man sich eine abschreckende Wirkung erhofft – und eine Kostenentlastung. Die beliebteste Toilette der Stadt will sich mit Mammons Hilfe unbeliebt machen.

800 Euro eingenommen

Ob dies freilich gelingen wird, bleibt abzuwarten. „Am vergangenen Samstag haben rund 800 Leute einen Euro bezahlt“, sagt Klingenstein und lässt auf Nachfrage tief in die kunstfreie Abortabrechnung blicken. „Wir haben monatlich bis zu 1000 Euro Kosten für Seife, Handtücher und Toilettenpapier. Dazu kommen 300 Euro Materialkosten für kaputte WC-Deckel, Wasserhähne und andere Teile.“ Nicht zu verachten seien auch die Wasserkosten bei an Hochtagen 2000 bis 3000 Spülungen pro Tag. „Unsere Toilette ist ein Geheimtipp, mit dem wir nicht glücklich sind“, beklagt Eva Klingenstein.

Jetzt also die Zwangskasse für Fremdbesucher. Museumsbesucher bezahlen selbstredend weiterhin nichts für den Besuch im Untergeschoss, sondern zeigen den Kassierern einfach die Eintrittskarte. Gastronomiebesucher bekommen Gratischips für den Gang zur Toilette. Bis Februar hat sich das Kunstmuseum eine Testphase verordnet. „Danach wird entschieden, wie es weitergeht“, sagt Klingenstein.