Der Künstler Johann Langeder fährt mit einem Tandemfahrrad durch die Stadt, das in einem nachgebildeten Porsche versteckt ist.

Stuttgart - Bergauf zu fahren kostet Kraft. Es zieht in den Waden, der Puls geht schneller. In der Ebene bewegt sich das Tandemfahrrad dagegen fast wie von selbst. Drei bis fünf Kilometer in der Stunde würde er schon schaffen, der Ferdinand GT3 RS, sagt Johann Langeder.

 

Das von zwei Mann zu bewegende Gefährt lässt bei der Betrachtung aus der Ferne oder starker Kurzsichtigkeit ganz andere Pferdestärken erwarten. Denn der Fahrradunterbau ist verborgen unter einer Menge goldfarbener Plastikfolie, PVC-Röhren und Klebeband. Sie halten ein Konstrukt zusammen, das zwar ein Fahrrad ist, aber aussieht wie ein goldlackierter Porsche 911 GT3 RS.

In Linz gebaut

Der österreichische Künstler Johannes Langeder aus Linz hat es vor zwei Jahren entworfen und zusammengebaut. Seitdem ist er damit auf Österreichs Straßen unterwegs. Die erste Ausfahrt fand auch in Langeders Heimatstadt Linz statt.

Auch auf seiner Premierenfahrt in Stuttgart bewegt sich das Gefährt nur langsam vorwärts vom Karlsplatz in Richtung Rathaus. Und die Stuttgarter scheinen sich immer noch von etwas überraschen zu lassen. Damen und Herren in Kostüm oder Anzug und Krawatte halten auf dem hastigen Weg in die Mittagspause oder zurück ins Büro kurz inne. Über ihr Gesicht huscht für einen Augenblick ein Ausdruck des überraschten Staunens.

Johannes Langeder hat Zeit, die Reaktion der Menschen in seinem gemächlich sich fortbewegenden Gefährt zu beobachten. Die Umgebung zieht in Zeitlupe an ihm vorbei, während das immergleiche Treten des Pedals eine fast meditative Ruhe mit sich bringt. Eine andere Art, die Umwelt wahrzunehmen, sei dass, sagt Langeder: „Ich nenne das den Luxus der Langsamkeit.“

Diesen Luxus will der österreichische Künstler mit Menschen aus Stuttgart teilen. Von heute an bis zum Sonntag, 30. September, kann jeder, der neugierig ist, um eine Mitfahrgelegenheit ersuchen– sofern er gewillt ist, in die Pedale zu treten. Geplant sind Touren in Stuttgart-Mitte, aber auch im Süden und in Bad Cannstatt. „Genau wissen wir es nicht, denn es hängt auch vom Regen ab“, sagt der Künstler. Völlig wasserundurchlässig sei die Konstruktion nicht.

Langeder will nicht belehren

Auf die Frage, was ein Stuttgarter lerne, der in den Porsche einsteige und mitstrample, hat Langeder keine eindeutige Antwort. „Ich will zumindest niemanden belehren.“ Auf die Vermutung, dass ein Porsche-Modell, das sich nur im Schritttempo fortbewegt, eine Botschaft gegen die in den Innenstädten rollende Blechlawine enthalte, reagiert der Künstler mit einem Achselzucken. Jeder solle sich seinen eigenen Reim auf die Sache machen, sagt er.

Johannes Langeder freut sich, dass ihn das „Arttours“ nach Stuttgart eingeladen hat, in eine Stadt, die eng mit dem Namen Porsche und der Autoindustrie verbunden ist. „Ich finde, dass so ein schöner Porsche nun mal nach Stuttgart gehört“, sagt der Künstler ohne einen Hauch von Ironie.

Die Stadt hat es dem Projekt „Arttours“, das Stadtführungen und Events mit Künstlern entwickelt, um Stuttgart neu zu entdecken, im Vorfeld der Aktion nicht einfach gemacht. „Die Behörden waren sich nicht sicher, wie stark wir den Verkehr aufhalten“, sagt Kaspar Wimberley von „Arttours“. Langeder sieht dies anders. Die Autofahrer, die ihn in den nächsten Tagen überholen, könnten sich aber freuen: „Es ist doch ein tolles Gefühl, mal schneller zu sein als ein Porsche.“

Mitfahrt
Wer an einer Tour mit dem Tandemfahrrad interessiert ist, kann sich bei Kaspar Wimberley unter 01 75/1 99 89 17 melden.