Werke von Martina Kuhn und Günther Titz sind ab diesem Freitag in der Burgenland-galerie zu sehen. Das Basismaterial für ihre Ausstellung stellen Verpackungen und Wegwerfbroschüren dar.

Feuerbach - Für die meisten Menschen sind Verpackungen und Werbebroschüren etwas, dem man keine große Bedeutung zumisst. Nicht so das Künstlerpaar Martina Kuhn und Günther Titz, dessen Werkschau an diesem Freitagabend beim Feuerbacher Kunstverein in der Burgenlandgalerie eröffnet wird: Sie entdecken im Unscheinbaren philosophische Fragestellungen und schaffen Werke jenseits der allgemeinen Wegwerfgesellschaft.

 

Die Vitrine gegenüber der Galerie ist bereits Programm: Martina Kuhn hat dort aus gerolltem Papier ein Labyrinth geschaffen – Günther Titz hingegen umfängt das Ganze mit einem orangefarbenen Farbstreifen. Das Band verläuft bei ihm, mit Körpergröße 1,76 Zentimeter, „auf Augenhöhe“ – und ist so namensgebend für die Ausstellung. Doch ist der Titel auch anders zu verstehen: Jeder auf seine Weise, begeben sich beide auf Augenhöhe mit dem Material ihrer Wahl – die Schlussfolgerungen, die beide daraus ziehen, sind sich aber verblüffend ähnlich.

Das Material entwickelt ein Eigenleben

So arbeitet Martina Kuhn oft mit „chinesischem Papier“, wie sie erzählt: Ein schlichtes weißes Einwickelpapier, unscheinbar und nicht gerade hochwertig. Unter den Händen der Künstlerin entwickelt es in der Ausstellung aber ein verblüffendes Eigenleben: Es wird zu eigenwilligen Formen, die als „Installations-Zellen“ Boden und Wände des Kabinetts der Galerie zieren. Nur wenig erinnert noch an das zweidimensionale Material von einst – das Papier verharrt nun standhaft in seiner neuen, raumgreifenden Gestalt.

Diese verleiht Martina Kuhn dem Material oft mit Nadel und Faden. Mal entstehen so poetische Materialkompositionen, mal ein weißes Papier-Kleid für eine Video-Installation, in der sich der „Augenblick“ mittels Endlosschleife gegen unendlich dehnt. Außerdem haben es der Saarländerin schön gestaltete Mode-Prospekte angetan: Eingeölt werden die Katalog-Seiten leicht transparent und pergamentartig, ein Effekt, den sie dadurch betont, dass sie einzelne Silhouetten nachnäht und so auch auf der Rückseite sichtbar macht.

Ein Augenöffner in Sachen Konsumwelt

Und hier kommt eine Gleichzeitigkeit der Dinge zum Tragen, die man auch in den Arbeiten ihres Ehemannes Günther Titz entdeckt. Nur, dass schlichte Kartons das Material seiner Wahl sind: Möglichst nur die Eckdaten sollen sie wiedergeben, die nötig sind, um eine Ware von A nach B zu versenden: Warennummer, Zielort, Format und Gewicht. Die Codes werden mit der oberen Kartonschicht herunter gelöst, auf einen Holzgrund kaschiert und farbig übermalt. Nassschleifpapier macht aus der Collage ein kompaktes Ganzes mit perfekter Oberfläche, aus der ganz zum Schluss einzelne Ziffern wieder freigelegt werden.

Besucher sollten in der Ausstellung besonders auf ein Detail achten: Wann immer möglich, hängt Titz seine Arbeiten so auf, dass sich das orangenfarbene Band auf seiner Augenhöhe befindet. Doch auch die übrigen Farbstreifen erfüllen einen Zweck: Jeder steht für eine Seite des Kartons. So gelingt dem Filderstädter, was sonst kaum möglich ist: alle Facetten einer Sache gleichzeitig zu sehen. Hinzu kommt eine weitere Fragestellung: Da reist so ein Karton von den globalisierten Produktionsstätten aus um die halbe Welt – und es braucht die Kunst, um sich des Wunders und der Absurdität gleichermaßen bewusst zu werden? „Auf Augenhöhe“ wird so betrachtet auch zu einem Augenöffner in Sachen Konsumwelt.