Die Kurden im Nordirak pflegen ein gutes Verhältnis zur benachbarten Türkei. Die jüngste Eskalation zwischen Ankara und der PKK sieht man in Erbil daher kritisch – und will lieber das Bild der verlässlichen Partner des Westens pflegen.

Stuttgart - Masud Barzani reagierte nicht unbedingt so, wie man es vom Präsidenten einer unter Angriff stehenden Region erwarten würde: „Was man mit Frieden erreichen kann, wird man nicht mit Kämpfen erreichen“, verkündete der Präsident der Autonomen Region Kurdistan reichlich staatsmännisch am Montag. Zwei Tage lang hatte die Türkei zu diesem Zeitpunkt die kurdische Region im Norden des Irak attackiert – dennoch fand Barzani lobende Worte für den großen Nachbarn: „Ich möchte etwas für die Geschichtsbücher sagen: Wir haben eine positive Einstellung und erste Schritte zum Friedensprozess auf türkischer Seite gesehen. Dann sind leider einige Gruppen zu arrogant geworden.“ Man kann davon ausgehen, dass der Präsident mit dieser Bemerkung nicht auf die Türken anspielte.

 

Es ist kein Geheimnis, dass das Verhältnis zwischen Barzanis regierender Partei DPK und der PKK nicht gut ist. Seit Jahrzehnten halten sich die Kämpfer für die kurdische Unabhängigkeit, die viele Staaten als Terroristen einstufen, im gebirgigen Norden des Irak verschanzt – und haben ihren irakischen Brüdern mehr Ärger als Hilfe eingebracht. Dies gilt umso mehr, seit Kurdistan unter Masud Barzani enge ökonomische Bande mit dem türkischen Nachbarn geknüpft hat: Eine Pipeline transportiert kurdisches Öl an Bagdad vorbei direkt in die Türkei. Und auch ansonsten gelten die Türken als wichtigste Handelspartner und Investoren der florierenden Region im Nordirak.

Spannungen zwischen den Kurden

All das will Barzani nicht aufs Spiel setzen – auch nicht zu Gunsten eines kaum überlebensfähigen unabhängigen Kurdenstaats. Obwohl der Präsident dieses Ziel offiziell weiter vertritt, fürchten sich die Türken nicht. „Selbst wenn Barzani über kurdische Unabhängigkeit spricht, sind wir nicht besorgt. Wir wissen, dass das nicht passieren wird“, erklärte etwa ein türkischer Beamter gegenüber der „International Crisis Group“.

Mehr Sorgen bereiten Ankara die Kurden im benachbarten Syrien: Die dort herrschende PYD gilt als Ableger der PKK und hat entlang der syrisch-türkischen Grenze weite Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht. Auch Barzanis Verhältnis zu den syrischen Kurden ist unterkühlt – zu selbstbewusst sind diese in der Vergangenheit aufgetreten. So verfeindet zeigten sich die Gruppen, dass Barzani mehrfach das Grenzgebiet zu Syrien abriegeln ließ – und weder verzweifelte kurdische Flüchtlinge hinaus, noch Hilfsgüter in die belagerten syrischen Kurdengebiete hineinließ. Erst die Belagerung der syrischen Kurdenstadt Kobane durch den Islamischen Staat (IS) führte zur Annäherung.

Die aktuelle Eskalation kommt Kurdistan nun ungelegen: Als Hauptempfänger deutscher und internationaler Waffenlieferungen hatte vor allem die Regierung in Erbil profitiert. Als beherzte Kämpfer gegen den IS gewannen sie internationales Ansehen. Manche fürchten, dass die PKK diesen guten Ruf nun beschädigt.