Jeder zweite Flüchtling ist unter 25 Jahre alt. Viele sind akademisch vorgebildet. Doch bisher sitzen nur ganz wenige in den Hochschulen. In Heilbronn wird daran gearbeitet, dies zu ändern.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Heilbronn - Beim Heilbronner Landratsamt hat Mahmoud Al Mustafa schon ein Praktikum gemacht. Fachlich sei das kein Problem gewesen, sagt der 30-jährige Bauingenieur. Schließlich hat er schon daheim in Bagdad Brücken konstruiert und Häuser gebaut. Auch die Verständigung klappte gut – allerdings nur auf Englisch. Jetzt will er so rasch wie möglich Deutsch lernen, den Master machen, dann eine feste Stelle finden und seine Frau und die zwei Kinder nach holen. „Time is money“, sagt Al Mustafa und fügt, ein wenig unsicher, aber doch ziemlich akzentfrei, die deutsche Übersetzung hinzu: „Zeit ist Geld.“

 

Al Mustafa ist einer von Ina Hasslers Vorzeigeschülern. Aber das sind sie eigentlich alle. „Wir setzen ganz stark auf die eigene Motivation“, sagt die Kursleiterin bei der Akademie für Innovative Bildung und Management (AIM) in Heilbronn. Das ist auch nötig. Schließlich sollen die Teilnehmer innerhalb eines Jahres das Niveau C 1 erreichen. Das heißt, sie sollen sich nicht nur problemlos mit Muttersprachlern unterhalten, sondern so gut Deutsch sprechen, dass sie dem Studium an einer deutschen Hochschule folgen können. Dafür wird täglich gebüffelt.

Intensivkurse sind bisher Mangelware

An der Universität Hohenheim gibt es ein ähnliches Angebot wie das der AIM, organisiert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Doch sonst sind solche Intensivkurse, die sich speziell an studierwillige und akademisch vorgebildete Flüchtlinge wendet, in Baden-Württemberg noch Mangelware.

Bei der AIM ist alles vom Feinsten. Das von der Stiftung des Lidl-Gründers Dieter Schwarz finanzierte Institut residiert in einem noblen Neubau auf dem Heilbronner Bildungscampus: außen Klinker mit viel Glas, innen ein großzügiges, Licht durchflutetes Treppenhaus, in dem eine digitale Anzeigetafel die laufenden Kurse samt Seminarraum auflistet. Selbst der Kickerkasten, der in den Pausen von Seminarteilnehmern dicht umringt wird, erfüllt höchste Ansprüche.

Für die Teilnehmer gilt das Leistungsprinzip

Dafür wird den Teilnehmern nichts geschenkt. Zu spät kommen gibt es nicht. Und „wer die Prüfungen nicht schafft, hat Pech gehabt und muss den Kurs verlassen“, sagt Hassler. Das habe sie gleich zu Beginn klar gemacht. „Das hat gewirkt.“ Von 30 Teilnehmern hätten drei aufgegeben, drei seien fortgezogen. Vier hoffen noch, per Nachprüfung die Versetzung in die nächste Einheit zu schaffen. Die Nachfrage ist groß. In Hohenheim gibt es für neue Kurse eine Warteliste. In Heilbronn drängten sich bei einer Informationsveranstaltung für den Nachfolgekurs 130 Interessierte.

Auch das Bundesbildungsministerium hat es mittlerweile als entscheidende Herausforderung erkannt, junge Ausländer und Flüchtlinge besser in die Studienlandschaft zu integrieren. Schließlich sind es vor allem junge Leute, die in den vergangenen Monaten nach Deutschland kamen. Jeder zweite ist unter 25. Viele haben in ihrer Heimat bereits ein Studium begonnen, manche sogar abgeschlossen. Schätzungen zufolge sollen im vergangenen Jahr 50 000 studierfähige Menschen aus Krisengebieten eingereist sein.

Eine Chance für geflüchtete Talente

„Wer das Zeug dazu hat, soll bei uns studieren können“, sagt die Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) und hat bis zum Jahr 2019 rund 100 Millionen Euro für die Studienvorbereitung von jungen Ausländern bereitgestellt. „Wir wollen geflüchteten jungen Talenten möglichst schnell eine Perspektive als internationale Studierende geben, damit sie als Fachkräfte ihre Heimat wieder aufbauen oder hier zum Wohl des Landes beitragen können.“

Dass es eine entscheidende Herausforderung für die Universitäten und Hochschulen ist, junge Menschen aus dem Ausland besser in das Bildungssystem zu integrieren, habe man in Heilbronn erkannt, sagt die AIM-Projektleiterin Sabine Endtner. Immer wieder habe man in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass auch vorgebildete Ausländer ohne Vorbereitung häufig bereits im ersten oder zweiten Semester scheiterten.

Es gibt noch viel zu lernen

„Wir sind stolz, wie gut unsere Schüler schon Deutsch gelernt haben“, sagt Endtner. Zum Beispiel Mustafa Marlood. Der 22-jährige Syrer lebt seit eineinhalb Jahren in Deutschland. Das erste Jahr sei für ihn ein verlorenes gewesen. „Im Flüchtlingsheim gibt es fast nur Araber“, da sei es schwierig gewesen, Deutsch zu lernen. Jetzt aber mache er Fortschritte.

Auffällig ist, dass fast nur Männer in den Intensivkursen sitzen. Gerade bei den jungen Leuten im studierfähigen Alter seien eben nur wenige Frauen unter den Flüchtlingen, sagt Endtner. Und was denkt Mustafa Marlood darüber? „Männer verstehen das vielleicht besser“, mutmaßt er und beweist damit, dass es mit bloßen Lektionen in deutscher Sprache nicht immer getan ist. Auch darauf sei die AIM vorbereitet, versichert Endtner. Neben Firmenbesichtigungen, Praktika, Probevorlesungen und Exkursionen gebe es auch Workshops zu interkulturellen Themen wie Recht, Gesellschaft und Politik.