Flüchtlinge sollen mehr über den deutschen Rechtsstaat erfahren. Das will die Landesregierung in Stuttgart jetzt mit Kursen für Neuankömmlinge erreichen. Eine erste Lehrstunde gibt der Justizminister persönlich.

Sigmaringen - Das erste Schaubild im Rechtsstaats-Kurs für Flüchtlinge ist die deutsche Flagge - und hier setzt der Justizminister gleich beherzt an. „Diese Fahne steht für einen Rechtsstaat. Hier müssen sich alle an die Gesetze halten. Die Einhaltung der Gesetze wird durch die Gerichte überprüft“, sagt Guido Wolf (CDU) mit fester Stimme.

 

Vor ihm in der Erstaufnahmeeinrichtung in Sigmaringen sitzen etwa zwei Dutzend Asylsuchende, fast ausschließlich junge Männer, fast alle aus Afrika. Seit ein paar Monaten sind sie im Land, die meisten sprechen kein Deutsch - ob sie verstehen, was der Minister am Mittwoch im Schnelldurchgang präsentiert?

Es ist kein leichtes Unterfangen, das die grün-schwarze Regierung mit ihren Kursen startet - aber wohl notwendig. 800 Menschen sind derzeit in der Graf-Stauffenberg-Kaserne untergebracht, es hat Konflikte und Reibereien gegeben zwischen Neuankömmlingen und Einwohnern, man habe „heiße Zeiten“ erlebt, erzählt Regierungspräsident Klaus Tappeser vor Kursbeginn. Zur Integration gehöre auch Kenntnis des Rechtsstaates.

„Ich heiße Guido Wolf und bin Minister für Justiz und Europa“, beginnt der Gast seine Rede. Die Kommunikation ist nicht einfach, der Minister spricht Deutsch, dann übersetzt eine Dolmetscherin ins Englische. Auch sonst: Rechtsstaat, Parlament und Gesetzgebung, Gewaltmonopol des Staates - es sind abstrakte Themen, die hier präsentiert werden.

Es beginnt mit einer Deutschlandkarte

„Hat jemand eine Idee, um was für ein Gebilde es sich handelt?“, fragt Wolf mit Blick auf das nächste Schaubild. Immerhin, nach kurzem Zögern sagt ein junger Afrikaner, das es sich bei dem Schaubild um die Bundesrepublik handelt. Als nächstes versucht Wolf, die Sache mit den Bundesländern zu erklären. Er fragt weiter, ob jemand den Namen des Ministerpräsidenten aus Stuttgart kenne? Kennt aber niemand. Es ist keine leichte PR-Aktion für den Minister.

„Bei uns gibt es die Demokratie. Haben Sie davon schon gehört?“, fragt Wolf, bevor er etwa erklärt, dass die Wahlen geheim sind und die Gerichte unabhängig. Das erinnert ein wenig an Frontalunterricht, wie er vor vielen Jahrzehnten im Schulfach Sozialkunde mitunter üblich war. Ein begnadeter Pädagoge ist Wolf ganz sicher nicht, Schaubilder machen es mitunter leichter. Auf einem Bild etwa reicht ein dunkler Arm einem Richter einen Sack mit Geld, die Botschaft an die jungen Afrikaner soll heißen: Bei uns bitte kein Bakschisch (Trinkgeld)!

Basiru Laye ist 27, kommt aus Gambia in Westafrika und ist seit ein paar Monaten im Land. „Ich finde an Deutschland vor allem gut, dass es Regeln gibt“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. „Dass die Gesetze eingehalten werden.“ Er ist mit seiner Frau hier, sein Asylverfahren läuft noch, er will sich eine Zukunft in Deutschland aufbauen.

Thema ist auch das Gewaltmonopol des Staates

Zuvor hatte Wolf die jungen Männer aufgefordert, sie sollten doch sagen, „was sie an Deutschland schön finden“. Etwas schüchern und mit leiser Stimme äußern sich die meisten, sie seien dankbar, dass sie hier sein dürfen, die Menschen in Sigmaringen seien nett und freundlich, berichten sie dem Minister. „Deutschland ist ein Land der Möglichkeiten und Chancen“, meint ein junger Mann aus Nigeria.

Etwas spannender wird es, als es an das Thema Gewaltmonopol des Staates geht. Niemand dürfe zum Faustrecht greifen, das gebe es in Deutschland nicht, auch wer etwa in einem Laden in Streit gerate, dürfe nicht zuschlagen. Bei dem Thema macht sich vor allem Luitgard Wiggenhauser stark, Präsidentin am Landgericht Hechingen. Ein junger Mann fragt, warum Streithähne ihren Zwist nicht unkompliziert und direkt beilegen könnten. Mehrfach wiederholt die Juristin, was „ganz, ganz wichtig ist: Gewalt ist für Menschen durchweg verboten.“

Überhaupt: Keine Gewalt in Deutschland. „Es gibt keine Rache. Das ist auch keine Frage der Ehre.“ Das gelte besonders auch für Gewalt in der Familie, für Gewalt gegen Frauen und Kinder. Hier wird die Juristin ebenfalls deutlich, spricht Tacheles. Manche hätten das mit dem Gewaltverbot nicht recht begriffen, „auch diejenigen, die schon länger hier leben“, fügt sie ausdrücklich hinzu.

„Es kommt vor, dass auch Frauen von ihrem Mann geschlagen werden.“ Frau Wiggenhausen sagt: „Sie können sich wehren“. Die Frauen könnten Anzeige erstatten, es gebe Frauenhäuser. Das klingt recht einfach, die jungen Afrikaner nicken. Ob sie den Schnelldurchgang in Sachen Rechtsstaat ganz verstanden haben?