Der Waffenbauer Heckler & Koch hat eine neue Geschäftsstrategie verkündet. Die Oberndorfer wollen nur noch demokratische und nicht korrupte Länder beliefern – also die Nato und ihre Partner. Rüstungsexperten sind skeptisch, dass sich ein ehrlicher Wandel dahinter verbirgt.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die Waffenschmiede Heckler & Koch hat erneut ein Beispiel ihrer geheimnisvollen Öffentlichkeitsarbeit geliefert: Lediglich mit einer Veröffentlichung über die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat das Oberndorfer Waffenschmiede einen Kurswechsel verkündet. Demnach soll künftig kein Neugeschäft mehr mit Staaten „außerhalb der Nato-Einflusssphäre“ gemacht werden. Kleinwaffen sollen künftig nur noch „grüne Länder“ exportiert werden, die „demokratisch, nicht korrupt sowie Nato-Mitglieder oder deren Partner seien“. Saudi-Arabien, Mexiko, Brasilien, Indien und selbst die Türkei kämen dafür nicht mehr in Frage.

 

Die veränderte Geschäftsstrategie betreffe aber nur das Neugeschäft. Alte Aufträge würden abgearbeitet – dies betrifft insbesondere eine Teileausfuhr für eine ansonsten fertiggestellte Gewehrfabrik in Saudi-Arabien, worüber schon vor Gericht gestritten wurde, sowie Lieferungen in den Oman und nach Singapur. Zitiert werden bei dpa „Firmenkreise“, doch stammen die Informationen offensichtlich direkt aus der Geschäftsführung. Eine offizielle Mitteilung gibt es nicht, auch werden schriftliche Fragen dieser Zeitung dazu nicht beantwortet.

Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht

Dass Mexiko nicht mehr beliefert werden soll, ist in der Tat von Belang – wartet doch auf sechs einst leitende Mitarbeiter von Heckler & Koch ein aufsehenerregendes Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart wegen des möglichen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Ungenehmigt waren Waffen in mexikanischen Bundesstaaten aufgetaucht, wo sie nicht hätten landen dürfen. Der Prozess dürfte 2017 beginnen – einen Termin gibt es noch nicht, wie eine Sprecherin sagte.

Dennoch zeigt sich der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag skeptisch ob des „vagen bis unbestimmten“ Kurswechsels: „Die dubiosen Kriterien ,demokratisch’ und ,nicht korrupt’ sind butterweich“, sagte der Rüstungsexperte dieser Zeitung. In den meisten Ländern gebe es Pseudoparlamente. Eine Selbstbeschränkung wäre es, wenn Heckler & Koch dezidiert nur noch EU-Mitglieder, Nato-Partner und gleichgestellte Länder beliefern würde. „Diese sind von der Bundesregierung definiert“, so van Akten. „Da weiß ich genau, welches Land dazu gehört und welches nicht.“ Das Unternehmen setze jedoch seine „sehr diffuse“ und „unkommunikative“ Außendarstellung fort. Zudem sei das von Heckler & Koch betriebene Kleinwaffengeschäft von der Bundesregierung sowieso stark eingeschränkt worden, sagte der Linken-Abgeordnete van Aken. „Insofern vollziehen die nur die Realität nach.“

Auch SIG Sauer hat einen Wandel verkündet

In der Tat hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine restriktivere Rüstungsexportpolitik eingeleitet. So wird beispielsweise die Ausfuhr von Kleinwaffen in Drittländer (also Länder außerhalb EU, Nato und Nato-gleichgestellte Länder wie Australien oder Japan) nur noch gegen Verpflichtungserklärungen genehmigt. Der Export von Technologie und Komponenten, mit denen in Drittländern neue Fertigungslinien errichtet werden könnten, wird ausgeschlossen, um die Verlagerung ganzer Produktionsstätten zu verhindern. Weitere Kriterien sollen es erleichtern, den Verbleib abgegebener Waffen zu kontrollieren.

Folglich sank der Gesamtwert der Genehmigungen von Kleinwaffen im ersten Halbjahr 2016 auf 11,6 Millionen Euro. Van Aken erkennt den Fortschritt an. „Es werden weniger Kleinwaffenexporte genehmigt als in den Jahren davor“, sagt er, auch wenn noch Drittstaaten dabei seien, die er nicht beliefern würde. Der Umfang sei aber so gering geworden, dass der Linken-Abgeordnete es für nicht nachvollziehbar hält, „warum Gabriel Kleinwaffenexporte nicht einfach verbietet“.

Konkurrent SIG Sauer (Eckernförde) hatte erst kürzlich einen ähnlichen Wandel verkündet: Demnach soll der Bereich Behörden-Waffen auf das Geschäft innerhalb Europas und der Nato gleichgestellten Staaten konzentrieren werden. Man habe keine Geschäftsmodelle, „die in kritische Drittländer schielen“, so der Geschäftsführer Franz von Stauffenberg. Heckler & Koch scheint unter seinem Anfang des Jahres gestarteten Geschäftsführer Norbert Scheuch, der zuvor Chef bei ATU und Putzmeister war, nun nachzuziehen.

Imagekorrektur vor einem Jahr angekündigt

„Wir müssen das schlechte Image korrigieren“, hatte der Mehrheitseigentümer von Heckler & Koch, Andreas Heeschen, vor einem Jahr gesagt. „Die Konkurrenz nutzt das aus.“ Heeschen bezog dies auch auf die schlechte Einstufung des finanziell notleidenden Herstellers durch die Ratingagenturen. Zuvor hatte der Investor 60 Millionen Euro Eigenkapital aus seinem Privatvermögen bereitgestellt, um den Schuldenberg zu drücken. Mittlerweile hat sich die Lage gebessert: In den ersten neun Monaten 2016 ist der Umsatz um 19 Prozent auf 144,8 Millionen Euro gewachsen. Es wird sogar wieder Gewinn gemacht: Dieser betrug 3,8 Millionen Euro, nachdem vor einem Jahr wurde noch ein Verlust von 10,3 Millionen Euro festgestellt worden sei. In der Kasse waren laut dpa 30 Millionen Euro, nach 12,9 Millionen Euro vor einem Jahr. Die Verschuldung sei deutlich auf 230 Milllionen Euro gesunken.

Das Bundeswirtschaftsministerium teilte zu Heckler & Koch mit, es handele sich um unternehmerische Entscheidungen zur strategischen Ausrichtung, die man nicht kommentieren wolle.