Der amtierende Deutsche Meister aus Stuttgart kämpft auch um mehr Anerkennung für seinen Sport. Vor allem Kampfgeist ist in der Sportart gefragt, deren Mitgliederzahl in Deutschland gerade rapide wächst.

Stuttgart - Es läuft das dritte Viertel, als ein älterer Herr mit einem Spazierstock vorbeikommt. Das bunte Treiben auf dem Kunstrasenplatz des ABV Stuttgart, wenige Gehminuten entfernt vom Gazi-Stadion, verleitet ihn zum Stehenbleiben. Um was für eine Sportart es sich da denn handle, will er wissen – und was denn das Ziel dieses Spieles sei?

 

Der ältere Herr sieht den Saisonauftakt der Männer des ABV Stuttgart in der Lacrosse-Bundesligastaffel Süd gegen München. Es geht darum, den Ball möglichst oft im gegnerischen Tor unterzubringen. Den Gästen gelingt das in der Partie am Freitag häufiger. Die Stuttgarter verlieren ihre erste Begegnung als amtierender Deutscher Meister mit 2:14 gegen den Rivalen aus Bayern, aber das ändert an den beiden großen Zielen nichts: den Titel zu verteidigen und den Sport bekannter zu machen.

Auf dem Feld geht es zur Sache

50 Zuschauer sind zu dem Spiel in Degerloch gekommen. Es gibt Würstchen vom Elektrogrill, Glühwein und Kuchen. Der Eintritt ist kostenlos. Die meisten, die bei acht Grad die Stuttgarter anfeuern, zählen zur Kategorie Freunde und Familie. Und der ältere Herr stellt eine letzte Frage, bevor er weiterzieht: Was macht denn den Reiz dieser Sportart aus?

Während am Spielfeldrand Stimmung wie beim Kaffeekränzchen herrscht, geht es auf dem Feld zur Sache. Und zwar richtig. „Da, wo man am schnellsten herausragen kann, ist der Kampfgeist. Die Frage ist: Wer will es mehr?“, sagt Eric Heintze nach Abpfiff. Er trainiert das Team mit Jan Miofsky – beide fungieren als Spielertrainer. „Wenn der Ball auf dem Boden ist und die Leute aufeinander einhacken, heißt es: zu 100 Prozent Zähne zusammenbeißen und durch.“

Das beschreibt es ganz gut. Ein reines Hauen und Stechen ist Lacrosse aber keinesfalls. Der Sport, dessen Erfindung den Indianern zugeschrieben wird, scheint Elemente einiger bekannter Ballsportarten zu vereinen. Hinter den Toren kann weitergespielt werden – wie beim Eishockey. Andere Spieler abzuschirmen wie beim Basketball ist ebenso erlaubt wie robuste Zweikampfführung, ähnlich wie im Fußball.

Das Ziel ist die Titelverteidigung

Gespielt wird mit sogenannten Sticks, an deren Ende ein kleines Netz angebracht ist, mit dem der Ball gefangen und geworfen wird. Eine Partie dauert vier mal 20 Minuten. Spielt die angreifende Mannschaft gegen die vollzählige Defensive der anderen, lässt sie Ball und Spieler um das gegnerische Tor kreisen, was an Handball erinnert.

„Die Mischung macht’s“, sagt Alexander Barthel. Der Verteidiger und Abteilungsleiter, der liebevoll „Papa Barthel“ gerufen wird, ist schon lange dabei. Er hat sich einem ehrgeizigen Ziel verschrieben. „Wir wollen jetzt richtig Fahrt aufnehmen“, sagt er. Gemeint ist damit in sportlicher Hinsicht erst einmal die Titelverteidigung, nachdem die Stuttgarter in der vergangenen Spielzeit am 15. Juni ihre erste deutsche Meisterschaft feiern durfte – zehn Jahre nach der Gründung des Vereins als Unisportgruppe. Aber auch professioneller soll alles werden – und der Sport bekannter: „Lacrosse ist eine der am schnellsten wachsenden Sportarten in Deutschland.“

Neue Heimat beim ABV Stuttgart

Der erste Schritt dahin ist schon vollzogen. Denn nach der ersten Bundesligasaison 2004 – und einem Intermezzo beim HTC Stuttgarter Kickers – ist der Verein seit Mitte des Jahres eine Abteilung im ABV Stuttgart. Spätestens vom nächsten Jahr an sollen alle Mannschaften von der Jugend an auf der Waldau trainieren und spielen. Rund 70 Mitglieder, die alle aktiv sind, zählt die Abteilung im Moment.

Sportlich wiegt die deutliche Niederlage am ersten Spieltag gegen München nicht wirklich schwer. Gerade einmal drei Mannschaften spielen in der Bundesliga Süd. Die ersten beiden qualifizieren sich für die Play-offs. Das werden laut Alexander Barthel wieder Stuttgart und München sein, denn dem dritten Team im Bunde – Karlsruhe – fehle noch die Qualität, um die beiden Etablierten zu ärgern. Wichtig wird es traditionell dann erst im Frühjahr. „Für uns ist der Herbst eine Ausprobierzeit“, sagt deshalb auch der Spielertrainer Eric Heintze. Das gilt auch für das nächste Heimspiel am 23. November gegen Karlsruhe.