Bayern, Baden-Württemberg und Hessen: Immer weniger Länder zahlen immer mehr Geld in das föderale Umverteilungssystem ein. Hilft eine Verfassungsklage, wie sie Bayern und Hessen nun anstreben?

Stuttgart - Die vorläufige Abrechnung im Länderfinanzausgleich für das Jahr 2012 liegt vor – und schon lodert die Debatte über die Grenzen der bundesstaatlichen Solidarität erneut auf. Denn die Zahlen zeigen, dass sich der Kreis der Zahlerländer erneut verkleinert hat. Inzwischen leisten nur noch drei Bundesländer Beiträge in den Ausgleichstopf. An der Spitze steht erneut Bayern. Der Freistaat zahlte im vergangenen Jahr 3,9 Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich ein (Vorjahr: 3,7 Milliarden Euro). Es folgen Baden-Württemberg mit knapp 2,7 Milliarden Euro (Vorjahr: knapp 1,8 Milliarden Euro) sowie Hessen mit 1,3 Milliarden Euro (Vorjahr: 1,8 Milliarden Euro). Der Südwesten hat sich damit in der Reihe der Zahlerländer auf Platz zwei vorgeschoben. Hamburg hingegen, das in den vergangenen Jahren – allerdings überschaubare – Beiträge in das System einspeiste, ging an die Nehmerländer verloren. Hauptprofiteur des Finanzausgleichs ist Berlin. Die Bundeshauptstadt sammelte im vergangenen Jahr 3,3 Milliarden Euro ein.

 

Die Reaktionen folgten prompt: Die Landesregierungen von Bayern und Hessen wollen am 5. Februar bei einer gemeinsamen Kabinettssitzung eine Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich beschließen. In beiden Ländern stehen in diesem Jahr noch Landtagswahlen an. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nannte den Finanzausgleich eine „himmelschreiende Ungerechtigkeit“ und fügte hinzu: „Wir sind solidarisch, aber nicht blöd.“ Er rief Baden-Württemberg auf, sich der Klage anzuschließen. Diesem Ansinnen versperrt sich jedoch die grün-rote Landesregierung. Finanzminister Nils Schmid (SPD) erkannte zwar seinerseits einen Reformbedarf im Ausgleichssystem, doch will er weiterhin auf Verhandlungen setzen. „Eine Klage birgt auch große Risiken“, sagte er.

Damit zielt Schmid auf die Einbeziehung der Kommunen in das Ausgleichssystem. Gegenwärtig werden die Einnahmen der Städte und Gemeinden nur zu 64 Prozent im Finanzausgleich berücksichtigt. Sollte das Bundesverfassungsgericht zu der Einschätzung kommen, dass die kommunale Finanzkraft stärker herangezogen werden könne, wären die Zahlerländer erneut die Dummen – deren Städte und Gemeinden stehen vergleichsweise blendend da.

Nur Bayern schaffte die Wende zum Zahlerland

Die Opposition in Baden-Württemberg plädiert dennoch für eine Klage. Die FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger sagte: „Die Strategie von Grün-Rot, weiter auf Verhandlungen zu setzen, läuft ins Leere.“ Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl kritisierte, die Landesregierung plane für die kommenden Jahre Schulden in Milliardenhöhe, unternehme aber nichts, um den Abfluss von Milliardensummen aus dem Land zu verhindern. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das seit 1950 Jahr für Jahr in den Finanzausgleich einzahlt. Ähnliches gilt für Hessen: Das Land hat nie Geld aus dem Ausgleich erhalten, in den 1950er Jahren indes einige Male nichts einbezahlt. Bayern hingegen zählte bis 1986 und dann noch einmal 1992 zu den Nehmerländern. Es ist aber auch das einzige Land, das dauerhaft den Rollenwechsel vom Empfänger zum Geber schaffte.

Nordrhein-Westfalen gehörte bis zu Beginn der 1980er Jahre zu den Zahlern, sackte dann ab, stieg Mitte der 1990er Jahre wieder zu einem wichtigen Zahlerland auf, um 2008 und seit 2010 erneut ins Empfängerlager abzurutschen. Hamburg gehörte fast durchgehend zu den Zahlern. Schleswig-Holstein leistete in all den Jahrzehnten lediglich zweimal Kleinstbeiträge. Die niedersächsische Regierung redet schon länger davon, Zahlerland zu werden. Den Beweis blieb sie aber bisher schuldig. Das Land ist weiterhin Empfänger.