Die grün-schwarze Landesregierung will Kommunen neue Instrumente an die Hand geben, um exzessive Trinkgelage unterbinden zu können. Mancherorts wird die Initiative begrüßt – Stuttgart ist skeptisch.

Stuttgart - Kaum eine Großstadt, in der sich in den Sommermonaten nicht ähnliche Szenen abspielten: Menschen versammeln sich unter freiem Himmel, lassen eine feuchtfröhliche Party steigen und lärmen bis weit in die Nacht hinein. Bisweilen wird auch randaliert, oder es gibt gar schwerere Straftaten. Seit Jahren steht deshalb die Forderung im Raum, Kommunen die Möglichkeit zu begrenzten Alkoholkonsumverboten zu geben. Die CDU hat dies im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung verankern lassen. Innenminister Thomas Strobl will nun den gesetzlichen Rahmen schmieden. „Das gehen wir so schnell an, dass die Kommunen dieses Instrument im April 2018 in den Händen halten und diese Möglichkeit im Sommer 2018 nutzen können“, bestätigt er.

 

Große Kommunen begrüßen Strobl’sche Initiative

Neben dem Städtetag Baden-Württemberg begrüßen die meisten großen Kommunen die Strobl’sche Initiative. „Es ist gut, dass es nun ein klares Datum gibt“, sagt Gudrun Heute-Bluhm, die geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Städtetag ist und zuvor lange Jahre Oberbürgermeisterin von Lörrach war. „Damit werden wir leichter klare Kante zeigen können“, betont sie. Ähnlich sieht man das in Karlsruhe. Große Brennpunkte für Trinkgelage gibt es zwar nicht in der zweitgrößten Stadt im Südwesten, Debatten löst aber immer wieder der Indianerbrunnen am Werderplatz aus. Dort versammeln sich regelmäßig bis zu 30 Personen. Anwohner und Geschäftsinhaber fühlen sich belästigt. Daher hatte der Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) Mitte Januar in einem Brief ans Innenministerium für ein begrenztes Alkoholverbot geworben.

Mannheim hat aufgrund zunehmender Beschwerden über Trinkgelage in der Öffentlichkeit Ende vergangenen Jahres als erste Kommune im Land sogar beschlossen, einen betreuten Trinkerraum einzurichten, um Alkoholabhängige besser von der Straße zu bringen als bisher. Ein passendes Haus wird derzeit gesucht. Zusätzlich hatte der Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) schon im Herbst in einem Brief an den Innenminister ein Alkoholkonsumverbot auf öffentlichen Plätzen gefordert. Daher freut er sich jetzt über die Ankündigung. Bedauerlich sei allerdings, dass das Land die rechtlichen Voraussetzungen „erst 2018 liefern möchte“. Gerade im Hinblick auf die bevorstehenden Sommermonate hätte man sich in Mannheim gewünscht, für bestimmte Standorte die Verbote schon früher verhängen zu können.

Wohlwollen auch in Esslingen

Auch aus Sicht des Ludwigsburger Oberbürgermeisters Werner Spec (parteilos) ist eine solche Neuregelung überfällig. „Wir haben nie verstanden, dass demokratisch gewählte Gremien nicht entscheiden können, dass sie so ein Verbot aussprechen“, betont er. „Dass man sich da so geziert hat, war für Kommunen nicht nachvollziehbar.“ Ob und für welche Bereiche speziell Ludwigsburg ein solches Instrument nutzt, werde diskutiert. So habe es auf dem zentralen Akademieplatz immer wieder Probleme gegeben.

Auch in Esslingen wird die Aussicht auf ein Alkoholkonsumverbot wohlwollend aufgenommen. Die Stadt habe schon früher versucht, gewisse Zonen in der Stadt zu alkoholfreien Gebieten zu erklären. Das sei seinerzeit aber nicht möglich gewesen, sagt der Oberbürgermeister Jürgen Zieger (SPD). Bei der Umsetzung müsse man allerdings mit Augenmaß vorgehen. Vor überzogenen Erwartungen warnt auch Martin Schairer, der Ordnungsbürgermeister der Landeshauptstadt. Er unterstützt die Pläne der Landesregierung. Doch die Sache sei juristisch kompliziert. Alkoholverbote könnten nur erlassen werden, wenn Besäufnisse in direktem Zusammenhang mit Straftaten stünden. Momentan falle ihm kein Platz in Stuttgart ein, bei dem es eine solche Lage gebe. Allerdings könnte allein die Ermächtigung für ein Verbot „abschreckende Wirkung“ haben.

Freiburg gibt sich zurückhaltend

Zurückhaltung herrscht ausgerechnet in Freiburg. „Nach den uns vorliegenden Informationen ist das derzeit für uns kein Thema“, erklärt der Erste Bürgermeister Otto Neideck (CDU). Freiburg hatte 2008 als erste deutsche Großstadt versucht, auf der Grundlage des Polizeigesetzes eine eigene Verordnung zum Verbot von Alkohol in einem abgegrenzten Bereich der Innenstadt durchzusetzen. Im sogenannten Bermuda-Dreieck zwischen Martinstor und Universität, wo sich Kneipen und Diskotheken häufen, war es zu Exzessen und Gewaltdelikten gekommen; meist war übermäßiger Alkoholkonsum im Spiel. Zwischen den Jahren 1999 und 2008 waren die Gewaltdelikte in der Altstadt sprunghaft von 361 auf 946 angestiegen.

Gegen die vom Gemeinderat beschlossene Verordnung klagte jedoch ein Jurastudent und bekam vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim 2009 recht. Das Alkoholverbot war im Freiburger Gemeinderat immer umstritten und hat seit der Kommunalwahl 2014 wohl keine Mehrheit mehr. Der Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) selbst hatte stets eine eigene Sicht dieser Dinge: dass nach allen Erfahrungen der Polizei „zwischen Alkohol und Gewalt definitiv eine Verbindung“ bestehe, die ein begrenztes Verbot durchaus rechtfertige.