Walter Dörings Griff nach der Spitzenkandidatur artet in eine Schlammschlacht aus. Politik zum Abgewöhnen, kommentiert StZ-Redakteur Reiner Ruf.

Villingen-Schwenningen - Das wäre jetzt also geklärt. Walter Döring kehrt nicht in die Politik zurück. Endgültig. Seit seinem schmählichen Rücktritt vom Amt des Wirtschaftsministers im Jahr 2004 lastete er wie ein Nachtgespenst auf den Gemütern seiner Nachfolger in der FDP. Egal, ob er sich für die Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart ins Gespräch brachte oder als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl – seine Ambitionen lösten unter den Parteigewaltigen regelmäßig Panik bis hin zur Hysterie aus.

 

Man kann das verstehen. Döring legte am Samstag beim Listenparteitag in Villingen-Schwenningen einen blitzsauberen Auftritt hin. Rhetorisch seiner Konkurrentin Birgit Homburger haushoch überlegen, bezirzte der inzwischen 58-Jährige seine Partei wie in alten Zeiten. Kraftvoll in der Aussage, fulminant in seiner Performance und mit der ihm eigenen Selbstironie – Döring wie er leibt und lebt. Da stand er in seiner ganzen funkelnden Widersprüchlichkeit. Aber eben funkelnd. Döring schlug Töne an, die man von der FDP lange schon nicht mehr hörte. Man solle doch bitte nicht nur auf Grün-Rot einschlagen, riet er, sondern sich auch von den Schwarzen abgrenzen. „Oder kennen Sie eine Partei,, die elender, einfallsloser und personell ausgebluteter ist als die CDU?“

Berge schmutziger Wäsche

Kurz darauf aber entspann sich sein eigenes Elend. Und das der FDP. Intoniert von Landesparteichefin Birgit Homburger, die mit schriller Stimme, ohne Döring zu nennen, vor Selbstdarstellern, Schaumschlägern und Windmachern warnte, traten freidemokratischer Amts- und Mandatsträger verblichener Tage ans Mikrofon, um Berge von schmutziger Wäsche auszubreiten. „Du warst immer nur da, wenn das Blitzlichtgewitter sicher war“ – das war noch einer der harmloseren Vorwürfe gegen den einstigen Wirtschaftsminister und Landesvorsitzenden. „Intrigenspiel“, „Quasi-Komplott“, „von hintenherum durch den Rücken stechen“, ein Anwurf folgte auf den nächsten. Der Stuttgarter Liberale Matthias Werwigk hielt Döring vor, die Vergabe von Wirtschaftspreisen zur Spendenakquisition genutzt zu haben. „Das ist ja besser als Kino“, kommentierte begeistert ein Parteitagsbeobachter auf den Gästeplätzen.

Am Ende zog FDP-Landeschefin Birgit Homburger die Notbremse, erklärte sich mit Listenplatz zwei zufrieden, wenn Dirk Niebel, der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, an ihrer statt auf Platz eins gesetzt würde. Das war ein raffinierter Kunstgriff. Denn zuvor hatte es den Anschein, als ob das wohl inszenierte Scherbengericht über Döring auf dessen Gegner zurückfallen würde. Döring aber hatte in seiner Rede unvorsichtigerweise kundgetan, dass er niemals angetreten wäre, „wenn der Dirk hier stehen würde“. Nach Homburgers Volte gab Döring notgedrungen auf. Dankbar über den Ausweg setzten die Delegierten den Minister aus Berlin auf Platz eins der Bundestagsliste.

Fluchtreflexe bei den Wählern

Was bleibt nach dieser in der jüngeren Landesgeschichte beispiellosen Schlammschlacht? Richtig ist: Es waren Kämpfe vergangener Tage, die da eine skurrile Neuauflage erlebten. Von denen, die gegenwärtig in der Partei etwas sind oder werden wollen, wagten sich nur wenige aus der Deckung. Dennoch: Eine Partei, in der man auf diese Weise mit sich umgeht, kann bei den Wählern nur Fluchtreflexe auslösen. Und Birgit Homburger, die fleißige, verlässliche, jedoch von jedem charismatischen Anhauch freie Landesvorsitzende, muss um den Landesvorsitz bangen. Sie hat schon manche Attacke knapp überstanden, aber selbst für den zweiten Listenplatz fuhr sie wieder nur ein mäßiges Ergebnis ein. Es war ein Parteitag der Selbstzerfleischung.