Die Erweiterung der Landesbibliothek ist politisch umstritten. Jetzt macht die Staatskanzlei Druck auf das Finanzministerium.

Stuttgart - Der Erweiterungsbau der Landesbibliothek (WLB) ist noch nicht ganz abgeschrieben. Wie berichtet ist das neue Gebäude, das entlang der Konrad-Adenauer-Straße entstehen soll, zwar nicht im jüngsten Haushaltsentwurf des Landes Baden-Württemberg enthalten. Das gefällt aber offenbar nicht allen Teilen der Landesregierung, wie ein Schreiben deutlich macht, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Konkret handelt es sich um einen Brief, der am 2. Oktober 2012 aus dem Staatsministerium des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) an das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft von Vizeregierungschef Nils Schmid (SPD) adressiert worden ist. Darin ist die ausdrückliche Bitte formuliert, „dass das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft eine Lösung findet, um das Bauvorhaben (nämlich den Erweiterungsbau der Landesbibliothek, Anm. d. Red.) in den kommenden beiden Jahren umzusetzen und eine Inbetriebnahme im Jahr 2015 – in dem die Landesbibliothek 250 Jahre alt wird – zu ermöglichen“. Dies sollte, so heißt es in dem Schreiben weiter, „dadurch erfolgen, dass weniger bedeutsame Bauprojekte zu Gunsten des Erweiterungsbaus der Landesbibliothek geschoben werden“.

 

Das lässt den Direktor der Landesbibliothek, Hannsjörg Kowark, ein klein wenig hoffen. Seit Wochen kämpft der Direktor darum, dass der Erweiterungsbau doch noch 2013 oder wenigstens 2014 begonnen werden kann. „Wir haben hier einen Auftrag zu erfüllen“, sagt Kowark. Die Landesbibliothek habe fast 34 000 aktive Nutzer – und diese bräuchten die Infrastruktur.

„Eine Wende kann nur aus dem Staatsministerium kommen“

Die Zeit drängt für die Landesbibliothek. Durch das sogenannte Pflichtexemplargesetz muss die Bildungsinstitution jährlich 70 000 bis 90 000 Bücher und andere Medien aufnehmen. Ende 2014 ist der derzeit zur Verfügung stehende Platz ausgereizt. Dann muss ein weiteres Magazin angemietet und weiteres Personal angestellt werden. Kostenpunkt: 1,5 Millionen Euro jährlich. So hat das Hannsjörg Kowark ausgerechnet. Schon jetzt muss die WLB jährlich eine Million Euro für die Außenstelle Gaisburgstraße sowie das Außenmagazin Fellbach samt Bücherfahrdienst ausgeben. „Auf zehn Jahre gerechnet hat man schon den halben Bau finanziert“, kritisiert der Direktor. Der Erweiterungsbau samt Neubau der Tiefgarage vor der Landesbibliothek soll nach jüngsten Berechnungen insgesamt rund 48 Millionen Euro kosten.

Nun setzt Kowark auf neue Signale aus der Villa Reitzenstein: „Eine Wende kann nur aus dem Staatsministerium kommen. Das muss eine politische Entscheidung werden.“ Allerdings äußert sich das Staatsministerium auf Anfrage der StZ nicht weiter zu dem Brief vom 2. Oktober – geschweige denn zu seiner Existenz. „Wir kennen den Unmut über die Verschiebung des Bauvorhabens“, sagt jedoch der Regierungssprecher Rudi Hoogvliet. Die Regierung sei bemüht, so schnell wie möglich mit dem Bau zu beginnen. Der Entwurf des Haushalts für 2013/14 sei so abgesegnet. Es sei bedauerlich, dass der Bau nicht enthalten sei. Nun liege es am Parlament, sein Haushaltsrecht auszuüben. Gleichzeitig verwies Hoogvliet auf die Aussagen von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), dass der Bau 2015 begonnen werden soll.

Auch das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (MFW) bestätigt, dass das Bauvorhaben der WLB „hohe Priorität genießt“, wie die Sprecherin Melanie Zachmann betont. Der Bau werde kommen. Schließlich seien im Haushaltsentwurf 2013/14 insgesamt 2,5 Millionen Euro an Planungsmitteln enthalten. Gleichzeitig verwies die Sprecherin auf einen Sanierungsstau im Land. „So bitter das für Herrn Kowark ist: das Bauprogramm hat einen Deckel“, sagt Zachmann. Und: „Wir würden gerne mehr bauen“, betont Zachmann mit Hinweis auf die derzeitigen Sparzwänge.

Seit 40 Jahren keine Verbesserung

Im Entwurf seien 73 Baumaßnahmen enthalten, darunter sei auch die Grundsanierung des Landtags samt Ausbau des Plenarsaals mit natürlicher Belichtung und dem Neubau eines Medien- und Besucherzentrums. Welche weiteren Projekte in dem Programm enthalten seien, dürfe sie noch nicht sagen, da zuerst der Landtag informiert werden müsse. Erst am 30. November werde das Bauprogramm in den Finanzausschuss des Landes eingebracht.

All diese Aussagen stellen WLB-Chef Hannsjörg Kowark nicht zufrieden. „Wir sind die größte wissenschaftliche Bibliothek im Land – und die einzige, die seit 40 Jahren keine Verbesserung der Infrastruktur erfahren hat“, betont der Direktor: „Ich gebe nicht auf.“ Schützenhilfe bekommt er von Kollegen. Die Arbeitsgemeinschaft der Landes- und Universitätsbibliotheken in Baden-Württemberg hat sich mit einem offenen Brief an Wissenschaftsministerin Bauer gewandt: „Wir protestieren hiermit ausdrücklich gegen die Streichung der Baumittel für die Württembergische Landesbibliothek aus dem Staatshaushalt 2013/14“, schreibt Werner Stephan, der Sprecher der AG und leitender Bibliotheksdirektor der Unibibliothek Stuttgart. Dieser Beschluss sei nicht nur eine Entscheidung gegen die Funktionsfähigkeit der Württembergischen Landesbibliothek als zentrale Informationsinfrastruktureinrichtung des Landes und gegen die Möglichkeit, der wissenschaftlichen Wertschöpfung in heute selbstverständlicher Weise dienstbar zu sein. „Es ist zugleich eine Entscheidung gegen die Leistungsfähigkeit der vernetzten Informationsinfrastruktur in Baden-Württemberg insgesamt, von der wir unsere Einrichtungen unmittelbar betroffen sehen“, so Stephan. Wie dramatisch die Zustände in der Landesbibliothek sind, beschreibt Kowarks Stellvertreterin Martina Lüll: „Andernorts gibt es Whiteboards und Touchpads, und hier finden Sie nicht mal einen Schreibtisch.“ – „Und manchmal sogar keinen Stuhl“, fügt Kowark hinzu.