In der früheren IBM-Zentrale in Vaihingen wird keine Erstaufnahmestelle eingerichtet – das hat ein Lenkungskreis entschieden. Das Land Baden-Württemberg hat aber schon ein anderes Gebäude in Stuttgart im Auge.

Stuttgart - Nun also doch keine Landeserstaufnahmestelle (Lea) für Flüchtlinge auf dem Eiermann-Campus in Vaihingen: Die Lenkungsgruppe Flüchtlinge unter Leitung des Chefs der Staatskanzlei, Klaus-Peter Murawski, hat am Freitag beschlossen, entsprechende Pläne nicht weiter zu verfolgen.

 

Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung sind dabei vor allem die hohen Kosten für Umbau und Erwerb der denkmalgeschützten Bürogebäude ausschlaggebend gewesen: Diese werden auf 400 Millionen Euro geschätzt und lägen damit um ein Zigfaches über den Kosten für Umbauten vergleichbarer Liegenschaften im Land. Das scheint im Übrigen zu bedeuten, dass der Eigentümer eine Vermietung abgelehnt hat – und beim Kauf hätte sich das Land wohl weitere Probleme eingehandelt. Denn seit Jahren findet sich kein Investor für das Areal mit seinen vier großen Gebäuden. Christoph Häring, der Sprecher des Integrationsministeriums, bestätigte am Freitagabend die Entscheidung des Lenkungskreises in Sachen Eiermann.

Gleichwohl soll auch in der Landeshauptstadt eine Erstaufnahmeeinrichtung geschaffen werden. Nach StZ-Recherchen prüft die Landesregierung derzeit die Machbarkeit in einer anderen, demnächst frei werdenden landeseigenen Liegenschaft in Stuttgart. Näheres wollte das Ministerium vorerst nicht bekannt geben.

Zahlen aus 1990er-Jahre könnten übertroffen werden

Noch am Donnerstag hatten die Vorzeichen anders gestanden, nachdem Murawski sich offen für eine Lea auf dem früheren IBM-Areal gezeigt hatte. Die Bausubstanz sei nicht so schlecht wie ursprünglich angenommen, erklärte der Staatssekretär, fügte allerdings auch hinzu, dass der Umbau nicht billig werden dürfte. Dies zumindest haben die Prognosen der staatlichen Bauverwaltung nun bestätigt.

Dass bei der Zahl der Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften im Land dringender Handlungsbedarf besteht, macht ein Blick auf die nackten Zahlen deutlich. Nach Baden-Württemberg sind bis Ende Juli 2015 bereits mehr als 29 000 Flüchtlinge gekommen; die Zahl von 50 000 Menschen bis zum Jahresende ist nicht unrealistisch. Dann könnten auch erstmals die hohen Flüchtlingszahlen während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien überschritten werden: Die bisherige Höchstzahl an Flüchtlingen war 1992 mit 51 609 Menschen erreicht worden.

Syrer und Albaner sind größte Flüchtlingsgruppen

In Baden-Württemberg machen in diesem Jahr die Menschen aus Syrien mit 26,7 Prozent (bis Ende Juli) die größte Gruppe aus, gefolgt von Albanern mit 19,7 Prozent. Die Erstaufnahmestellen des Landes sind alle teils deutlich überfüllt. So leben in der Aufnahmestelle in Ellwangen, die im März für 500 bis 1000 Personen eröffnet worden war, derzeit etwa 1900 Menschen.

In Stuttgart sind derzeit etwa 3500 Flüchtlinge untergebracht, bis zum Jahresende könnten es schätzungsweise 5400 werden. Zu den städtischen Wohnheimen für Flüchtlinge gehört seit kurzem auch das teils leer stehende Bürgerhospital an der Türlenstraße. Dort hatte das Land zunächst auch eine Erstaufnahmestelle einrichten wollen, doch die Stadt Stuttgart hatte darauf gedrungen, das Gebäude selbst für Flüchtlinge nutzen zu können. Dort können, wenn man die schon früher genutzten Räume hinzurechnet, bis zu 900 Menschen vorübergehend unterkommen.

Sven Matis, der Sprecher der Stadt Stuttgart, sagte dem Land Unterstützung bei der Suche nach einem Gebäude für eine Lea zu: „Wir verstehen das Ansinnen des Landes, auch in Stuttgart eine Erstaufnahmestelle einzurichten“, sagte er. Über einen möglichen Standort müsse aber das Land entscheiden, so Matis weiter.