Rund 3000 Mitglieder von Trachten- und Musikgruppen, Bürgergarden und Fanfarenzügen sind am Sonntag im Rahmen der Landesfesttage durch die Waiblinger Innenstadt gezogen.

Waiblingen - Um kurz vor halb elf rattert der erste Traktor den steilen Berg der Weingärtner Vorstadt hinauf. Im Schlepptau hat er einen festlich geschmückten Wagen der Felsengartenkellerei Besigheim. Die Gäste aus dem Landkreis Ludwigsburg haben eine großzügige Ladung heimische Erde mitgebracht, in der einige Rebstöcke sprießen – umrahmt wird das Ganze von einem stilechten Wengertmäuerle aus Sandstein. Die Festwagenmannschaft schaut etwas verschlafen drein, doch noch sind drei Stunden Zeit bis zum Beginn des Landesfestumzugs anlässlich der Heimattage in Waiblingen.

 

In der Altstadt flanieren um elf Uhr nur wenige Fußgänger über den Marktplatz. Dafür sind sie auffällig gewandet. Die Damen tragen bunte Röcke und Mieder, mit Blumen verzierte Schultertücher und Hütchen mit Federn. Die Herren haben bestickte Lodenjanker übergestreift, manche stecken in Uniformen, an denen polierte Metallknöpfe blitzen. Die Köpfe sind bedeckt – mit Dreispitzen, Zylindern, Zipfelmützen oder Pickelhauben. Eine Trachtengruppe aus Nöggenschwiel im Südschwarzwald stärkt sich für den bevorstehenden Umzug mit Pommes und Bratwurst.

Im Schlosskeller knallen kurz darauf die Sektkorken fast im Minutentakt: Der Oberbürgermeister Andreas Hesky empfängt Gäste aus der Kommunal- und Landespolitik, unter anderem die Sozialministerin Katrin Altpeter, die in Waiblingen ein Heimspiel hat. Auch der Stadtarchivar Uwe Heckert gehört zu den Gästen, ist aber erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Er trägt einen blauen Anton und eine gleichfarbige Schiebermütze. Der „Malocheranzug“, wie ihn Heckert bezeichnet, steht im krassen Gegensatz zu dem noblen dunkelbraunen Gehrock und den weißen Beinkleidern des Vorsitzenden des Heimatvereins Waiblingen, Wolfgang Wiedenhöfer. Letzterer stellt sich als Ernst Bihl, Ziegeleibesitzer, vor. Nachher, beim Umzug, werden die beiden Männer den Wagen Nummer 8 begleiten. Er ist ein Nachbau jenes Festwagens, der im Jahr 1841 die Stadt Waiblingen und ihren ersten Industriebetrieb, die Firma Bihl, bei einem Festumzug in Stuttgart repräsentiert hat.

Das Geräusch der im Schlosskeller knallenden Sektkorken und die dort von der Sozialministerin geäußerte Befürchtung – „es wird doch hoffentlich nicht wieder das Waiblinger Wetter geben“ – hat der Wettergott offenbar vernommen: Kurz nach zwölf Uhr tauscht er das deprimierende Grau am Himmel gegen ein freundliches Blau und weiße Wolken. Der Festzug mit seinen 88 Gruppen startet pünktlich um 13.30 Uhr in der Bahnhofstraße, zieht durch die Kurze Straße und vorbei an der Tribüne auf dem Rathaus. Unter den Ehrengästen sitzen auch der Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Frau Gerlinde.

Die weniger prominenten Zuschauer müssen zwar stehen, haben es aber dennoch recht bequem, denn selbst an den am besten besuchten Stellen wie dem Markt- und dem Rathausplatz gibt es genügend Raum, um sich während des gut zweistündigen Spektakels die Füße zu vertreten. Währenddessen ziehen die Trachten- und Musikgruppen, Fanfarenzüge und Bürgerwehren vorbei – mit Pauken und Trompeten, Fahnen und Bajonetten, Rechen und Mistgabeln. Die jüngsten Teilnehmer liegen im Kinderwagen und schlafen selig, trotz der zahllosen Paukenschläge.

Der Fellbacher Oberbürgermeister Christoph Palm fährt auf einem mit Garben beladenen Wagen vorbei, in der Hand ein Gläschen Wein. Die Frauen des Veteranenclubs Berglen-Bretzenacker schaben auf dem übers Kopfsteinpflaster ruckelnden Festwagen Spätzle in den Kochtopf, am Lanz-Bulldog hängt der Spruch: „Mit Spätzle und Soß’, do wirscht du groß.“

Gegen 16 Uhr endet der Umzug, und Andreas Hesky muss „mit Dank und einer Träne im Auge“ die Heimattage-Fahne an den Ministerpräsidenten zurückgeben. Winfried Kretschmann bedankt sich bei der „würdigen und tollen Gastgeberin“ Waiblingen und übergibt die Flagge an Cornelia Petzold-Schick, die Oberbürgermeisterin der Stadt Bruchsal, die die Heimattage 2015 ausrichtet. „Sie haben die Messlatte hoch gelegt“, sagt Petzold-Schick zu Hesky, „wir sind stolz, Ihre Nachfolger zu sein.“