Das Landeshochschulgesetz Baden-Württembergs ist umstritten. Nach der Dualen Hochschule hat jetzt auch ein Vertreter der Fachhochschulen Verfassungsbeschwerde gegen das LHG beim Staatsgerichtshof eingereicht.

Stuttgart - Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) betrachtet das gut ein Jahr alte Landeshochschulgesetz (LHG) als Ausdruck der grün-roten Politik des Gehörtwerdens. Sie lobte bei der Verabschiedung der Novelle, dass Transparenz und Beteiligung der Hochschulmitglieder gestärkt würden. Das sehen nicht alle Hochschulmitglieder so.

 

Ein Professor einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW, ehemals Fachhochschulen) hat jetzt beim Staatsgerichtshof des Landes eine Verfassungsbeschwerde gegen mehrere Vorschriften des LHG eingereicht. Der Mann, der an einer Hochschule in Karlsruhe lehrt, sieht sich in seiner Wissenschaftsfreiheit verletzt. Er kritisiert, Rektoren und Dekane hätten zu große Entscheidungsbefugnisse. So könnten Rektoren nun allein über Stellen, Bauten und Mittel entscheiden. Dem Professor missfallen auch Alleinentscheidungsbefugnisse der Rektoren bei der Personalentwicklung, im Qualitätsmanagement und bei den Leistungsbezügen. Er beklagt ferner, dass der Senat keinen Einfluss auf die Wahl und Abwahl der Rektoratsmitglieder habe. Auf Fakultätsebene sind nach Meinung des Beschwerdeführers die Dekane zu mächtig. So könne das Dekanat ohne Mitwirkung des Kollegiums den Haushaltsvoranschlag aufstellen und über Funktionsbeschreibungen entscheiden. Der Professor vermisst die Mitwirkungsmöglichkeiten der Wissenschaftler und betrachtet das LHG als verfassungswidrig. Das geht aus einem Bericht des Ständigen Ausschusses des Landtags hervor.

In einer persönlichen Mitteilung fordert der Beschwerdeführer ausdrücklich, „die Machtfülle des Rektorats muss kontrolliert werden“. Der Professor moniert, eine kritische Kontrolle des Rektors durch die Professorenschaft sei ausgeschlossen. Auch hätten die Professoren anders als andere Mitarbeiter und auch anders als Studierende keine eigene Vertretung.

Ministerin Bauer lobt Hochschulgesetz

Dass der Rektor Vorsitzender des Senats ist, ist in den Hochschulen vieler anderer Bundesländer nicht so. Aus der Rektorenkonferenz der HAW heißt es aber, das erleichtere das operative Geschäft. Die Wissenschaftsministerin hatte an der Gesetzesnovelle gelobt, „die Handlungsfähigkeit der Hochschulen wird erhöht“. Auch würden die Leitungsstrukturen gestärkt und die Aufgaben und Verantwortlichkeiten von Rektorat, Senat und Hochschulrat klar abgegrenzt.

Der Landtag hatte Gelegenheit, beim Staatsgerichtshof zu der Beschwerde Stellung zu nehmen. Das wird er auf Anraten des Ständigen Ausschusses nicht tun. Der verweist darauf, dass das Landeshochschulgesetz nicht einstimmig verabschiedet worden sei. Die Opposition hatte es abgelehnt. Eine Stellungnahme würde nur die Meinung der Mehrheit, nicht die des gesamten Parlaments widerspiegeln, argumentierte der Ausschuss wie in solchen Fällen üblich, und das Parlament folgte der Empfehlung. Das Wissenschaftsministerium kann sich noch bis August beim Staatsgerichtshof äußern. Gegenwärtig sagt es nichts zur Sache. Ein Sprecher Bauers tut kund, man habe einen Prozessbevollmächtigten eingesetzt.

Professor wird vom Hochschullehrerverband unterstützt

Die Klage hat zwar einen persönlichen Hintergrund, wie der Beschwerdeführer selbst erläutert. Er fühlt sich durch das Rektorat seiner Hochschule „willkürlich bestraft“, weil er bei Beförderungen übergangen wurde. Das erklärt er selbst in einer persönlichen Mitteilung, die der Stuttgarter Zeitung vorliegt. Seine Landesverfassungsbeschwerde wird jedoch vom Hochschullehrerbund unterstützt. Die Vereinigung vertritt bundesweit mehr als 6000 Professoren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften.

Die Klage aus den Reihen der HAW ist nicht die einzige, mit der sich das Ministerium auseinandersetzen muss. Schon seit einem Jahr liegt eine Verfassungsbeschwerde von 34 Rektoren und Professoren der Dualen Hochschule (DHBW) beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Sie beklagen ebenso wie der Vertreter der HAW „wissenschaftsinadäquate Regelungen“. Auch sie kritisieren die neue Rolle der Rektoren und monieren besonders, dass der Senat nicht den Rektor abwählen kann. Das sei ein Problem aller Hochschularten. In dieser Hinsicht begrüßt Hendrik Jacobsen von der DHBW Villingen-Schwenningen, dass nun die Klage von Seiten der Hochschulen für angewandte Wissenschaften dazugekommen sei.

Als Prozessbevollmächtigter der klagenden Rektoren und Professoren der DHBW erklärt Jacobsen, dass bei der Dualen Hochschule noch ein weiteres Rechtsproblem hinzukomme. Die Rechte der einzelnen Standorte würden durch das Gesetz gravierend beschnitten. Die DHBW ging aus acht ehemals selbstständigen Standorten der einstigen Berufsakademien hervor. Wann über die Beschwerden entschieden wird, ist in beiden Fällen offen.