Nürtingen, Kapstadt, Stuttgart: Im Wilhelma-Theater ist der Komponist und Kontrabassist Sebastian Schuster mit dem Landesjazzpreis geehrt worden.

Stuttgart - Kaum sind die Jazz Open ausgeklungen, gibt es schon wieder ein wichtiges Event: Erstmals ist der Landesjazzpreis, der dieses Jahr an den Kontrabassisten und Komponisten Sebastian Schuster ging, im festlichen Rahmen des Wilhelma-Theaters mit seinen 350 Plätzen verliehen worden. Nicht nur für die Intendantin Franziska Kötz, die den Abend eröffnete, ist dieses Theater „das schönste in ganz Stuttgart, ein wahres Kleinod“. Mit der gelungenen Renovierung und einer in Deutschland einmaligen pompejianischen Ausmalung ist es ein würdiger Ort für die Preisverleihung und das Jazzkonzert des zweitplatzierten Saxofonisten Chistoph Beck sowie für den spektakulären Auftritt von Seba Kaapstad, dem südafrikanisch-schwäbischen Sextett Sebastian Schusters.

 

Bernd Konrad, der emeritierte Jazz-Professor, der an diesem Donnerstag siebzig wird (siehe Randspalte), stellte in kurzen Worten Christoph Becks Werdegang vor, der nach Schuster die meisten Stimmen der neunköpfigen Jury erhalten hatte. Er tröstete den Zweitplatzierten, der „weder Ruhm noch Geld“ bekommt, damit, dass er im Jahr darauf Chancen habe, selber Preisträger zu werden. Die Kunst-Staatssekretärin Petra Olschowski betonte in ihrer elegant formulierten Rede, dass Stuttgart sich zu einer Jazz-Metropole entwickle. Deshalb sei es wichtig und richtig, dass der Landesjazzpreis nun schon zum 33. Mal verliehen werde und das Preisgeld auf 15 000 Euro aufgestockt worden sei.

Kreativer Hexenschuss

Und dann: Musik! Lautstark begrüßten die Gäste das Christoph Beck Quartett, das mit geschmeidigem Modern Jazz und den launigen Ansagen seines jungen Chefs für gute Stimmung sorgte. Die von Konrad in seiner Laudatio angekündigten „Ecken und Kanten“ in Becks Saxofonspiel sind wohl im Lauf der Zeit etwas abgeschliffen worden, bei der schönen Ballade „Unbekannte Schatten“ gleich gar nicht mehr vorhanden und erst bei der Komposition „Dolor“, die Beck nach einem Hexenschuss geschrieben hat, wieder deutlicher zu hören. In seinem Quartett bedient ein bärtiger junger Mann mit Schiebermütze und kurzärmeligem Hemd, Jeans und Sneakers den Kontrabass: der Preisträger Sebastian Schuster, der in diesem Kontext erste Kostproben seines Könnens gibt.

Der Südwestrundfunk hat übrigens beide Jazzkonzerte aufgezeichnet. Sie sollen im Oktober auf SWR 2 gesendet werden, um den Radiohörern die ausgezeichnete Qualität junger Jazzmusiker im Ländle nahezubringen. Die Stuttgarter Musikhochschule spielt bei deren Ausbildung eine zentrale Rolle. Nicht von ungefähr haben hier viele der späteren Preisträger studiert.

Bernd Konrad würdigte in seiner Laudatio den Jazzpreisträger Sebastian Schuster, der als Sohn von Schulmusikern 1982 in Nürtingen auf die Welt kam. Man erfuhr, dass Sebi, wie ihn alle rufen, dank eines DAAD-Stipendiums zwei Semester an der Universität Kapstadt bei Hein van de Geyn, dem einstigen Kontrabassisten von Chet Baker, studieren konnte. Es war ein Aufenthalt, der Schusters Leben und seine Musik veränderte. Er und Christoph Beck wurden vor sechs Jahren von Patrick Bebelaar, dem Jazzpreisträger 2000, in dessen Südafrikaprojekt mit der Großkomposition „Pantheon“ geholt. Der erfahrene Jazzpianist, der mehrfach in den Townships mit afrikanischen Musikern aufgetreten war, vermittelte den damaligen Musikstudenten, dass es weniger auf Virtuosität als vielmehr auf einen erkennbaren Sound ankomme.

Warmer, tiefer Kontrabass

Wie sehr Schuster das beherzigt, zeigte sich beim Konzert von „Seba Kaapstad“. Schuster hat für die Band den Namen auf Afrikaans, der Amtssprache Südafrikas, gewählt, und betonte bei seinem Dank, dass die gespaltene Gesellschaft dieses Landes immer wieder durch Musik zusammengeführt werde. Drei Vokalisten und eine schwäbische Rhythmusgruppe bilden Sebas Combo, darunter die mit starker Stimme begeisternde Zoe Modiga, die mit ihrem raspelkurzen, blondierten Haar und den sinnlichen Bewegungen ein wenig an die junge Dee Dee Bridgewater erinnert – und auch Ndumiso Manana aus Swasiland gehört zur Band, ein ganz junger Mann, dem man eine große Zukunft als Soul- und Jazzsänger prophezeien kann. Komplettiert wird der dreistimmige Gesang durch Franziska, die musikalische Schwester von Sebastian Schuster.

Als Bühnennebel aufsteigt, der Pianist Christoph Heckeler in die Tasten greift und Thomas Wörle seinem Schlagzeug satte und wuchtige Klänge entlockt, hört man die warmen und tiefen Kontrabasstöne Schusters, die dieser Musik eine tänzerische Note verleihen und Orientierung bieten. Eigentlich hört man sie nicht, man spürt sie eher. Schusters Spiel drängt sich nicht auf, es ist vielmehr das pochende Herz dieser interkulturellen Musik, deren Harmonien über einem rollenden Rhythmus dahinschmelzen. Mit der schönen Ballade „Hello“, einem Song über beginnende Liebe, neigt sich das bemerkenswerte Preisträgerjazzkonzert mit Schusters starken Kompositionen seinem Ende zu.