Der Streit über den Umgang mit Homosexualität wird schärfer. Darunter leiden manche - wie das Beispiel eines Pfarrers aus Nagold zeigt.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Nagold - Die Szene erinnert ein wenig an Klaus Wowereits berühmtes Outing: Steffen Poos steht nicht in Berlin wie der SPD-Politiker, sondern in der evangelischen Kirche des Nagolder Teilortes Iselshausen. Der junge Pfarrer hat aber eine ähnliche Botschaft wie Wowereit. Er sei schwul, wolle mit seinem Partner im Pfarrhaus leben und auch offen zu der Beziehung stehen. Das Bekenntnis ist ein gewisses Risiko - in einer Region, wo der Pietismus stark ist und traditionelle Moralvorstellungen viel zählen. Die Antwort der Gemeinde ist aber modern. Sie spendet Beifall und stärkt dem beliebten Pfarrer den Rücken. "Die breite Unterstützung hat mich überrascht und gefreut", sagt Poos heute. Traurig ist er trotzdem. Denn den Schwarzwald verlässt er, dafür ist wohl die Kirchenleitung verantwortlich.

 

Die habe dem Seelsorger frühzeitig signalisiert, dass sein Partner nicht mit ins Pfarrhaus dürfe. "Wegen der momentan aufgewühlten Diskussion wollte der Oberkirchenrat mit mir keine neuen Präzedenzfälle schaffen", erzählt Poos und zeigt sogar ein gewisses Verständnis für dieses Kalkül. Denn tatsächlich schlagen die Wogen in der Landeskirche bei dem Thema hoch. Grund ist das neue Pfarrdienstgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland, dessen Übernahme in Württemberg ansteht. Das Gesetz hält es für möglich, dass ein schwuler Pastor zusammen mit seinem Partner im Pfarrhaus lebt. Und die Begründung des entsprechenden Paragrafen verstehen einige Kritiker so, als würde dort die Ehe von Mann und Frau auf eine Stufe mit der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft gestellt. Besonders evangelikal-konservative Kreise machen gegen den Passus und die Übernahme des Gesetzes mobil.

Unterschriften werden auf beiden Seiten gesammelt

Bei der Kirchenleitung gehen Briefe und Austrittsandrohungen ein. Unterschriften werden auf beiden Seiten gesammelt. Altlandesbischöfe melden sich vor dem Gesetz warnend zu Wort. Der Theologinnenkonvent hingegen lanciert eine Unterstützungsadresse für die schwul-lesbischen Kollegen und fordert mehr Offenheit im Umgang mit ihnen ein. Angesichts dieser Aufregung liegt es nahe, dass die Kirchenleitung nervös reagiert. Doch davon will man in Stuttgart nichts wissen. Poos habe mit seinem öffentlichen Outing und der Ankündigung, die Landeskirche zu verlassen, Fakten geschaffen, bevor das Gespräch mit ihm abgeschlossen worden sei, sagt Oliver Hoesch. "Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Landeskirche an ihrer Praxis in dieser Frage rüttelt", betont der Sprecher und spricht von Missverständnissen.

Bisher bemühte man sich um pragmatische Lösungen. Grundsätzlich, hieß es, sei eine Homo-Ehe im Pfarrhaus nicht möglich. Im Einzelfall aber konnte die jeweilige Gemeinde doch zustimmen und so Möglichkeiten für diese Paare eröffnen. Bei Poos liefen die Dinge freilich anders. In seinem Fall änderte es nichts, dass der Kirchengemeinderat - zu spät - für seinen Verbleib votierte. Es half auch nicht, dass die Leserbriefschreiber in der örtlichen Presse fast einhellig mehr Akzeptanz für homosexuelle Lebensformen forderten.

Poos hat frischen Wind in die Gemeinde gebracht

Die evangelischen Christen vor Ort haben dem Bischof Frank Otfried July geschrieben und schicken nun Briefe an alle Synodalen. "Ich bin enttäuscht und wütend", sagt Gisela Rink zu ihrer Gemütslage. Die Vorsitzende des Kirchengemeinderats bringt besonders auf, dass man Poos auch noch zu einem früheren Ausscheiden drängt - was die Kirchenleitung ebenfalls anders sieht. Eigentlich hatte sich Rink auf Mitte November eingestellt, nun muss der Abschied schon am 9. Oktober offiziell erfolgen. "Was die Basis wünscht, zählt nicht. Da werden elementare demokratische Regeln verletzt", schimpft die 63-Jährige.

Sie hat es sich mit ihrem Gremium nicht leichtgemacht. Auf der einen Seite stand der geschätzte Pfarrer, der binnen dreier Jahre frischen Wind in die Gemeinde gebracht und auch der Kirche Fernstehende angesprochen hat. Das andere waren die Bibelstellen, die Homosexualität ablehnen. Doch Rink und ihr Gremium haben die Passagen studiert. Sie hat gelernt, dass das Buch der Bücher weder von verlässlichen homosexuellen Beziehungen noch von einer solchen Veranlagung weiß. Deshalb geht ein wortwörtliches Verständnis der Abschnitte an der Wahrheit vorbei.

Nun wünscht sie sich, dass die Synodalen bei ihrem Beschluss die Menschen und die veränderte gesellschaftliche Wirklichkeit im Blick haben. Das hofft Poos ebenfalls, der an alle Kirchenparlamentarier geschrieben hat. "Die Diskriminierung von homosexuellen Pfarrern und die von Angst und Heimlichkeit bestimmte Atmosphäre" sollten aufhören, mahnt er darin. Andernorts ist dies offenbar schon Wirklichkeit. Die hessen-nassauische Kirche nimmt Poos samt Partner mit offenen Armen auf.

Pfarrerdienstgesetz umstritten

Homo-Ehe: Der Konflikt entzündet sich am neuen Pfarrdienstgesetz der EKD. Es erlaubt ein Zusammenleben homosexueller Partner im Pfarrhaus. Die württembergische Landeskirche gestattet dies aber nur in Ausnahmen. Sie diskutiert daher heftig eine Übernahme des EKD-Gesetzes. Die Synode will nun mit einem Studientag die Debatte versachlichen.