Die kleine FDP ganz groß: eine Koalition will sie nach der Landtagswahl nur mit dem eingehen, der mit ihr die grün-roten Reformen zurückdreht. Dafür kommt eigentlich nur die CDU in Betracht. Doch eine schwarz-gelbe Mehrheit ist nicht in Sicht.

Fellbach - Wohin mag er führen, „der nächste Schritt für unser Land“? So lautet der neue Wahlslogan der FDP, den der Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke auf dem Landesparteitag zu Dreikönig Fellbach vorstellte. In den Abgrund? Oder in eine goldene Zukunft mit den Liberalen? „Der nächste Schritt für unser Land“ – diese vage Botschaft wollen die Freidemokraten im Wahlkampf plakatieren. Immerhin: wenigstens dem Spitzenkandidaten Rülke schwebt das Ziel der Kampagne deutlich vor Augen. Er will nach erfolgreicher Landtagswahl am 13. März einen „Politikwechsel“ einleiten. Rülkes Formulierung entbehrt nicht der Chuzpe. Schließlich waren es die grün-roten Koalitionäre gewesen, die nach dem Regierungswechsel 2011 das Wort vom Politikwechsel prägten. Wenn Rülke nun diesen Politikwechsel rückabwickeln will, so offenbart dies eine gedämpfte Leidenschaft, nach der Landtagswahl möglicherweise eine Ampelkoalition mit Grünen und SPD einzugehen.

 

Doch anders als das – für eine Partei an der Fünf-Prozent-Marke – vollmundige Versprechen eines Politikwechsels galt die Ampel auf dem FDP-Landesparteitag als Unwort. „Uns geht es um Inhalte, nicht um Koalitionen, lautete das Mantra der Parteioberen. FDP-Landeschef Michael Theurer sagte: „Ob, wann und mit wem wir Gespräche führen und gegebenenfalls Vereinbarungen treffen, entscheiden wir im Rahmen eines Landesparteitags oder durch Mitgliedervotum.“ Aber natürlich bewegt die Partei die Frage nach einer künftigen Regierungsbeteiligung. Ein Delegierter monierte, etliche Wahlkreiskandidaten gäben vor Ort schon Empfehlungen in die eine oder andere Richtung ab. Andreas Knapp, Direktor beim Landesrechnungshof, wandte sich vehement gegen ein Zusammengehen mit der SPD. Landesparteichef Theurer hingegen erinnerte daran, wie übel der FDP die enge Bindung an die CDU des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus bekommen sei.

Lieb und bequem wäre der FDP wohl ein neues schwarz-gelbes Bündnis. Doch dafür ist derzeit keine Mehrheit in Sicht. Anders sieht es mit einer grün-rot-gelben Koalition aus, sollten die Freidemokraten erneut in den Landtag gelangen. Diese Konstellation ergäbe eine Parlamentsmehrheit.

Die Debatte über die Ampel ist tabu

Die Parteiführung kommt eine Koalitionsdebatte allerdings gar nicht gelegen. Erstens verfügen die Liberalen im Südwesten über unschöne Erinnerungen an Spekulationen über eine Ampelkoalition. Die FDP-Wählerschaft im Land ist eher konservativ gestrickt, die Neigung zu SPD und Grüne hält sich in Grenzen. Historisch gesehen war die Partei im protestantisch geprägten Württemberg deshalb vergleichsweise stark, weil viele Konservative Abstand halten wollten zur katholisch grundierten CDU. Zweitens scheut die FDP-Führung auch deshalb eine Koalitionsdebatte, weil sie die Partei nicht wieder in den Ruch bringen will, ihr ginge es nur um Pöstchen. „Wir wollen wegen unserer Inhalte gewählt werden“, sagte Landesparteichef Theurer. Spitzenkandidat Rülke versicherte, er führe die FDP „gerne in die Regierung, aber nur, wenn unsere Inhalte umgesetzt werden“. Er fügte hinzu: „Ohne Politikwechsel gibt es keine Koalition.“

Landesstiftung: Ran an den Speck

Um diesen Anspruch zur Geltung zu bringen, ließen sich die Liberalen ein hübsches Manöver einfallen. Auf ihrem Parteitag beschlossen sie Wahlprüfsteine, zu denen sich die parteipolitische Konkurrenz schriftlich äußern soll. Tue sie das nicht, versicherte Rülke, werde es auch nichts mit der Koalition. „Jetzt sollen doch mal die anderen sagen, ob sie unsere Inhalte umsetzen wollen, und nicht immer nur wir, mit wem wir koalieren wollen.“

Welche Stöckchen aber zog Rülke aus seinem Rucksack? Der Spitzenkandidat nannte die Schulpolitik an erster Stelle und sprach einem Schulfrieden das Wort. Die Gemeinschaftschulen – das gemeinsame Vorzeigeprojekt von Grünen und Sozialdemokraten – solle bleiben, doch dürfe sie nicht weiter bevorzugt werden. In der Wirtschaftspolitik ging Rülke auf Distanz zur SPD. Das Bildungszeitgesetz müsse weg, sagte Rülke, das Mindestlohn- und Tariftreuegesetz „muss weg, und die vom grünen Infrastrukturminister Winfried Hermann vorgelegte Novelle der Landesbauordnung „muss auch weg“.

Für den Ausbau von Straßen und Breitband will die FDP eine Milliarde Euro aus dem Kapitalstock der Landesstiftung abziehen, außerdem sollen Landesanteile an der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), am Stuttgarter Flughafen sowie am Energiekonzern EnBW verkauft werden. Mit diesem Ansinnen stehen die Liberalen bisher parteipolitisch allein auf weiter Flur.

Windkraft? Nein, danke

Die Ablehnung der anlasslosen Vorratsspeicherung vereint die FDP mit den Grünen, die Ablehnung der Windkraft trennt sie indes von der Partei des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Wie die Grünen lehnt die FDP Alkoholverkaufsverbote ab, die Liberalen treten auch für die zivile Ehe für alle Paare ein – inklusive Adoptionsrecht. Dagegen wenden sie sich gegen eine Ökologisierung der Landwirtschaft wie gegen das neue Jagdrecht.

Mit ihren Wahlprüfsteinen setzt die FDP auf Inhalte. Ob sie im Fall einer Koalition als voraussichtlich mit Abstand kleinster Regierungspartei gleich einen Politikwechsel anstoßen kann? Das Versprechen kann ihr noch auf die Füße fallen. Am Ende bleibt die FDP allein mit ihren Prüfsteinen.