Die noch unter Verschluss gehaltene Studie fodert, „die Privilegierung des Autos durch restriktive Maßnahmen zu beenden“.

Stuttgart - Auf die Veröffentlichung der noch unter Verschluss gehaltenen Studie der landeseigenen BW-Stiftung zur Entwicklung der Mobilität in der Stuttgarter Zeitung hat die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus erfreut reagiert. Stadtrat Hannes Rockenbauch verwies auf seine Forderungen aus dem Jahre 2004, diese deckten sich vollständig mit den Aussagen in der Studie. Die von vier Forschungsinstituten ermittelte Erkenntnis, dass sich bis 2050 der Öffentliche Verkehr gegenüber dem Pkw durchsetzen müsse, um die Klimaziele zu erreichen, teile man ebenso wie die gewünschte Steigerung der Aufenthaltsqualität. Es müsse nun endgültig vorbei sein mit „dem Verharren in lange gepflegten Positionen“, so Stadtrat Thomas Adler.

 

Chefs der Automobilfirmen sollen ins Rathaus kommen

In einem Antrag wird die Verwaltung gebeten, „die Chefs von Daimler, Porsche und Bosch“ in den Technikausschuss einzuladen, damit sie ihre Pläne für nachhaltige Mobilität darlegten. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) wollte sich nicht äußern, da er die Studie nicht kenne. Vor einer Klausursitzung des Gemeinderats mit dem Titel „Vision 2030“ hatte er im Sinne der Gutachter betont: „Neue urbane Räume in unserer Stadt werden nur mit weniger Verkehr auf der Straße zu erreichen sein.“ Der Rat beschloss, Stuttgart zur „Mobilitätsinnovationsstadt der Welt zu machen“.

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Flanierzonen statt Parkplätze

Wie das gelingen könnte, beschreibt die Studie „Mobiles Baden-Württemberg – Wege der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität“. Darin heißt es, um die Klimaziele zu erreichen, müsse die Privilegierung des Autos durch restriktive Maßnahmen beendet werden. Davon ist man in Stuttgart heute allerdings noch weit entfernt. Fahrverbote will die Politik unter allen Umständen verhindern. Weitere für nötig erachtete Konsequenzen für Autofahrer wie eine City-Maut oder flächendeckendes Tempo 30 werden bisher nur von SÖS/Linke-plus gefordert. Die CDU lehnt sogar Tempo 40 an Steigungsstrecken ab. Die Prophezeiung der Forscher, die Entwicklung bleibe nicht ohne Konflikte, bewahrheitet sich dann, wenn es darum geht, Parkplätze abzubauen. Die Aufgabe von 200 Flächen zugunsten von Flanierzonen hat kürzlich für Aufwallungen gesorgt. Dabei sehen die Wissenschaftler eine „Mediterranisierung der Freizeit durch Außengastronomie, vielfältige Sportangebote und Spielmöglichkeiten vor der Haustür“. Wohnen und Arbeiten rückten durch eine begrenzte Höchstgeschwindigkeit des Verkehrs zusammen. Durch einen deutlichen Rückgang des Pkw-Bestands bis auf 18 Prozent gegenüber heute, die Auflösung der Flächenblockade durch Autos sowie den Rückbau von Straßen und Parkhäusern eröffneten sich neue Gestaltungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum.

Heute hat der Gemeinderat allerdings Gegenteiliges vor, etwa indem er 300 000 Euro für die Untersuchung des Ostheimer Straßentunnels beschließt. Diese Verbindung würde – ebenso wie ein Nordostring oder eine Filderauffahrt in Hedelfingen – erst zu einem Zeitpunkt fertig, da die Studie den Öffentlichen Verkehr bereits längst als „Rückgrat der Mobilität“ sieht.

Potenzial für Öffentlichen Nahverkehr

Plausibler würde aus Expertensicht ein Tunnel für E-Fahrzeuge, Busse und Radfahrer erscheinen. Die Studie beschreibt allerdings auch eine Kontroverse über Kapazitätsengpässe. Es heißt aber, diese seien selten, würden nur zu bestimmten Zeiten, auf bestimmten Strecken und in nur eine Lastrichtung auftreten. Das könnte entzerrt werden. Für den Raum Stuttgart wird Potenzial gesehen: durch längere Bahnlinien und Bahnsteige sowie durch zusätzliche Wagen. Sogar der Bau weiterer Röhren wird für möglich erachtet. Verwiesen wird auf Alternativen wie Parallelverkehre mit Linien- und Expressbussen, Tangentialverkehre und die Verlagerung von Verkehrsströmen. Dafür wird „eine Art zweiter Hauptbahnhof am Flughafen“ ins Spiel gebracht. Wert würde 2050 auf autonome Fahrzeuge mit optimierter Sitzplatzbelegung gelegt. Die gemeinsame Nutzung von autonom fahrenden öffentlichen Fahrzeugen werde zum zentralen Betriebskonzept des ÖPNV. Ergänzt werde dies – wie heute – durch Car- und Bikesharing-Angebote.