Die Obsternte könnte ein Rekordniveau erreichen, Beim offiziellen Auftakt der Saison im Land, der heuer in der Lautersteiner Kelterei Auer stattfand, hat es deshalb aber kaum strahlenden Gesichter gegeben.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Lauterstein - Draußen an der Obstannahmestelle bei Auer Fruchtsäfte im Lautersteiner Stadtteil Weißenstein ist es ruhig. Es regnet Bindfäden, und deshalb bleiben die Landwirte und andere Garten- oder Gütlesbesitzer zuhause. Doch der Eindruck täuscht. Früher als sonst und viel mehr als sonst – so lässt sich die Streuobst-Prognose für Baden-Württemberg in diesem Jahr zusammenfassen.

 

Für gewöhnlich herrscht Feierlaune, wenn das Ministerium für den ländlichen Raum und Verbraucherschutz sowie die zuständige Marketinggesellschaft MBW die heimische Obstsaison eröffnen. An diesem Freitag war die Stimmung in der Auer’schen Lagerhalle zu Füßen der Weißensteiner Steige ähnlich trübe wie der Himmel über dem Lautertal. Auch wenn es mit der Ernte offiziell erst jetzt richtig losgehen wird, soll es bereits Mostereien geben, die gar nicht mehr alle Früchte entgegen nehmen können, die ihnen gebracht werden.

Gute Ernte löst ambivalente Gefühle aus

Angesichts der niedrigen Preise von durchschnittlich fünf Euro für den Doppelzentner Äpfel macht sich bei den Lieferanten ohnehin schon Frust breit. „Da kriegst du ja gerade mal das Benzingeld raus“, bruddelt ein junger Mann, der gerade seinen Anhänger ablädt. Bei den Saftproduzenten lösen die sehr guten Ernteaussichten ebenfalls ambivalente Gefühle aus. „Der Angebotsdruck ist gewaltig“, sagt der Gastgeber Karl-Heinz Auer. Die Obstmassen träfen auf nicht ganz leere Lager. Hinzu komme das Exportverbot nach Russland.

„Das betrifft uns zwar nicht direkt, weil wir unsere Säfte vor allem regional verkaufen“, ergänzt er. Allerdings drückten Äpfel aus Polen, die bislang immer in Richtung Osten verkauft worden seien, mit Vehemenz auf den deutschen Markt. Der von den Herstellern oft als „Flüssiges Gold“ bezeichnete Saft von den hiesigen Streuobstwiesen, der bei Überbeständen seither immer noch zur großindustriellen Verarbeitung weiter gereicht werden konnte, könnte also zum Ladenhüter werden.

Krieglstein: Saison wird kein Zuckerschlecken

Bruno Krieglstein, der im Stuttgarter Ministerium für die Bereiche Vermarktung, Marketing und Ernährungswirtschaft zuständig ist, macht die Dimensionen deutlich: „Wir erwarten aus dem polnischen Raum rund 800 Millionen Liter Apfelsaft. Das entspricht in etwa dem Konsum der Deutschen im Jahr.“ Die Saison werde deshalb mit Sicherheit kein Zuckerschlecken, ergänzt der Ministerialrat.

Den Verantwortlichen bleibt indes nicht viel anderes übrig, als hehre Appelle auszusprechen: an die Erzeuger, dass sie ihre Äpfel dennoch aufklauben und ihre Wiesen weiterhin pflegen, und an die Verbraucher, dass sie bei ihrer Kaufentscheidung doch möglichst regionale Anbieter bedenken sollen. Für die Zukunft, darin ist man sich einig, müsse sich aber auch in Sachen Förderung etwas bewegen. Gutes Marketing allein reiche in solchen Situationen nicht aus. „Unsere Kulturlandschaft und die damit verbundene Sorten- und Artenvielfalt zu erhalten, muss uns etwas wert sein“, sagt der Göppinger Landrat Edgar Wolff.