Drei Tage vor der Bundestagswahl ist Landtagspräsidentin Aras (Grüne) Talkgast bei einer Veranstaltung der Landeszentrale für politische Bildung. Ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht, wie die SPD argwöhnt? Die LpB widerspricht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Stein des Anstoßes ist eine Einladung. „Heimat neu denken“ steht oben auf dem Flugblatt, unten prangt das Konterfei von Muhterem Aras (Grüne). Die türkischstämmige Landtagspräsidentin steht im Mittelpunkt einer Gesprächsrunde, bei der es am 21. September in Benningen am Neckar (Kreis Ludwigsburg) um den Heimatbegriff gehen soll. Mitveranstalter ist die Landeszentrale für politische Bildung (LpB), die auch denModerator stellt.

 

Drei Tage vor der Bundestagswahl bietet die überparteiliche Landeszentrale einer Spitzengrünen ein solches Podium – das ist mehreren Landtagsabgeordneten der SPD sauer aufgestoßen. Wo, fragen sie, bleibe da die parteipolitische Neutralität? Derartnahe am Wahltermin sei ja wohl besondere Sensibilität angezeigt, doch die lasse die LpB missen.

Kritik schon wegen kleiner Anlässe

Die Kritik zeigt einerseits, wie hoch mancherorts die Nervosität schon zwei Monate vor der Wahl ist. Andererseits trifft sie einen Nerv bei der Landeszentrale. Deren Überparteilichkeit, deklarierte der Direktor Lothar Frick (CDU) schon vor drei Jahren, sei „nichts anderes als die wichtigste Legitimation für unser Tun und Lassen“. Auch damals war der Anlass ein eher kleiner: die Grünen hatten sich aufgeregt, dass bei einer grafischen Darstellung der Besonderheiten der Kommunalwahl ausgerechnet ihre Partei fehlte. Dahinter stehe keine böse Absicht, versicherte Frick. Gleichwohl werde man in solchen Fällen künftig von „Liste A“ und „Partei B“ sprechen, auch wenn das weniger anschaulich sei.

Auch die Vorwürfe der SPD nimmt der LpB-Chef ernst, wie seine zweieinhalbseitige Stellungnahme an unsere Zeitung zeigt. Doch die Veranstaltung in Benningen ist für ihn „mit der Pflicht zur Überparteilichkeit vereinbar“ – und dies aus mehreren Gründen. Zum einen gehe es um den Abschluss einer Ausstellung, der schon vor mehr als einem Jahr geplant worden sei; der Termin der Bundestagswahl habe da noch gar nicht festgestanden. Auch der Bürgermeister Klaus Warthon (Freie Wähler) halte den Zeitpunkt für „völlig unproblematisch“, weil es sich nicht um eine politische Veranstaltung handele. Es gehe weder um Standpunkte von Parteien noch um Integrationspolitik, sekundiert Frick, sondern um das Verständnis von Heimat. Auf dem Podium diskutierten nebst Aras eine CDU-Gemeinderätin mit Migrationshintergrund, ein syrischer Flüchtling und Schüler einer internationalen Klasse.

„Aras kommt nicht als Grüne“

Zum anderen komme Aras nicht als Spitzenvertreterin der Grünen, sondern als Präsidentin des Landtags, „den sie überparteilich vertritt“. Und die Landeszentrale gehöre bekanntlich zum Geschäfts-bereich des Parlaments. Müsste Aras kurzfristig absagen, erläutert Frick, würde man deren Stellvertreter Winfried Klenk (CDU) fragen; auch der käme dann nicht als CDU-Vertreter, sondern als überparteilicherRepräsentant des Landtags.

Ganz anders verhalte es sich bei LpB-Veranstaltungen, die explizit mit Blick auf nahende Wahlen stattfänden. Da gelte die Regel, dass stets Politiker aller Parteien eingeladen würden, die schon im Parlament vertreten seien oder gute Chancen hätten, hinein zu kommen. Im Fall der Bundestagswahl seien dies CDU, SPD, Grüne und Linke sowie die nicht mehr präsente FDP und die noch nicht vertretene AfD. Exponierten Persönlichkeiten von Parteien oder Regierungen gebe man kurz vor Wahlen hingegen „kein alleiniges Forum“.

SPD mit Antwort nicht zufrieden

Die Landtags-SPD ist von der Antwort nicht durchweg überzeugt, wie ein Fraktionssprecher bekundet. Für „wenig stichhaltig“ halte man besonders das Argument, der Termin für das Podium habe schon lange vor jenem der Wahl festgestanden; die Einladung sei schließlich erst vor wenigen Tagen verschickt worden. Mehr noch als die Landeszentrale nehmen die Genossen aber Muhterem Aras ins Visier. „Bezüglich der politischen Neutralität der Landtagspräsidentin“, so der Sprecher, „können einem bei Betrachtung so mancher Veranstaltung durchaus Zweifel kommen“.