Bei der Anti-NPD- Demonstration 2013 habe ein Antifamitglied zu einer Straftat aufgefordert, befinden die Stuttgarter Richter. Der Angeklagte muss Arbeitsstunden ableisten

Göppingen/Stuttgart - Selbst wenn die Polizei einen mehrere Stunden lang einkesselt, sollte man seine Zunge hüten. Das hat jetzt ein 20 Jahre altes Mitglied der Antifa zu spüren bekommen. Das Stuttgarter Landgericht verwarf am Dienstag die Berufung des jungen Mannes und bestätigte damit ein Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad-Cannstatt. Dieses hatte den jungen Mann im Juli wegen Sachbeschädigung und des Aufrufs zu einer Straftat zu 40 gemeinnützigen Arbeitsstunden verurteilt.

 

„Hey, kommt! Macht schon! Holt uns hier raus und macht eine Gefangenenbefreiung“, hat der damals 19-Jährige nach Überzeugung der kleinen Jugendkammer vorbeikommenden linken Demonstranten in Göppingen zugerufen. Rechtlich gilt dies als Aufruf zu einer Straftat. Bei dem Aufmarsch von rund 140 Neonazis am 12. Oktober 2013 war es zu Ausschreitungen linker Gegendemonstranten gekommen. Die Polizei hielt mehrere Dutzend Aktivisten fest und nahm ihre Personalien auf.

Neben der Tat bei der Demo lastete das Gericht dem Angeklagten an, am 25. Januar dieses Jahres in einer Gruppe von zehn zum Teil vermummten Aktivisten linke Parolen an das Karrierecenter der Bundeswehr und einen Baucontainer an der Heilbronner Straße in Stuttgart gesprüht zu haben. Hierdurch entstand ein Sachschaden von rund 2000 Euro.

Der bereits mehrfach wegen ähnlicher Vergehen vorbestrafte Angeklagte bestritt in der Verhandlung, andere Demonstranten aufgestachelt zu haben. Es sei nichts derartiges geschehen, verlas der kleine und eher schmächtige Mann in einer Erklärung. Zudem wäre es gänzlich unmöglich gewesen, den Polizeikessel aufzulösen. Er warf den Polizisten vor, Demonstranten „geprügelt“ zu haben.

Sein Rechtsanwalt beantragte einen Freispruch. Die vorliegenden Beweise gegen seinen Mandanten seien unzureichend, sagte er. Es sei durchaus möglich, dass dieser bei der Demo mit einem anderen Aktivisten verwechselt worden sei. Und für die Sachbeschädigung gebe es keine hinreichenden Indizien.

Das sah die Kammer anders. Sie folgte mit ihrem Urteil dem Staatsanwalt, der beide Taten als erwiesen ansah und beantragt hatte, die Berufung zu verwerfen.

Eine wichtige Rolle kam einem 44-jährigen Polizisten zu, der die Vorgänge bei der Demo im Prozess geschildert hatte. Der Zeuge sei absolut glaubwürdig, sagte die Richterin. Er habe den Rufer eindeutig erkannt und seinen Kollegen gezeigt, die den Angeklagten dann vernommen und unter anderem ein Foto von ihm gemacht hätten. Zum Angeklagten sagte die Richterin: „Sie haben den Ausspruch getätigt und müssen die strafrechtlichen Konsequenzen tragen.“ Das gelte auch, wenn ihm das Gericht zugestehe, dass es sicher „keine schöne Situation“ gewesen sei, rund sechs Stunden lang eingekesselt gewesen zu sein.

Gericht stützt sich auf Indizien

Zur Sachbeschädigung räumte die Kammer ein, sich auf Indizien gestützt zu haben, da der Angeklagte nicht auf frischer Tat ertappt worden sei. Allerdings hätten Polizisten ihn kurz nach der Tat in der Nähe des Tatorts gestellt. Er habe Farbe an Händen und Jacke gehabt, sei der linken Szene zuzurechnen, und solche Taten seien ihm keineswegs wesensfremd, wie seine Vorstrafen zeigten. „Es passt alles zusammen. In der Gesamtschau hat es ausgereicht“, erklärte die Richterin.

Das Landgericht hat die verhängte Strafe von 40 Arbeitsstunden jetzt mit 60 weiteren Arbeitsstunden aus einem anderen Urteil wegen Sachbeschädigung zusammengefasst, so dass der junge Mann nun insgesamt 100 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten muss, mindestens zehn pro Monat. 25 bereits abgeleistete Stunden wurden ihm darauf angerechnet. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.