Das Landgericht Mannheim ist wieder einmal Schiedsrichter in einem milliardenschweren IT-Patentverfahren gewesen. Apple hat gegen die auf solche Verfahren spezialisierte deutsche Firma IPCom gewonnen – doch die will weiter um 1,6 Milliarden Euro kämpfen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Das Landgericht Mannheim hat in einer neuen Runde der weltweit geführten Streitigkeiten zu IT-Patenten zu Gunsten von Apple entschieden. Die Richter wiesen eine Klage der Münchner Patentverwertungsfirma IPCom ab, die den US-Elektronikhersteller auf 1,6 Milliarden Euro Schadenersatz wegen der Verletzung technologischer Schutzrechte verklagt hat. IPCom kündigte an, in Revision zu gehen. Als nächstes dürfte sich also das Oberlandesgericht in Karlsruhe mit der technisch diffizilen Frage zu beschäftigen haben. In dem konkreten Fall ging es um eine einst von der Stuttgarter Firma Bosch entwickelte Funktion, die es erlaubt, Anrufe in einem Mobilfunknetz zu priorisieren, um etwa Notrufe auch bei hoher Auslastung noch durchkommen zu lassen.

 

Bei der Klage ging es um die höchste Geldforderung der jüngsten Zeit im IT-Bereich. Im vergangenen Jahr hatte ein Gericht in Kalifornien Apple eine Milliarde Dollar (rund 730 Millionen Euro) Schadenersatz für Patentverletzungen von Samsung zugesprochen. IPCom ist eine Firma, die selbst keine Geräte herstellt oder Entwicklungsarbeit betreibt, sondern versucht, ein von anderen Firmen aufgekauftes Patentportfolio zu Geld zu machen. Dies kann häufig nur in erbittert geführten Rechtsstreitigkeiten geklärt werden. Hinter IPCom steht der US-Finanzinvestor Fortress Investment Group. Das Unternehmen hat im Jahr 2007 den Grundstock seiner Patente von Bosch gekauft. Der Stuttgarter Konzern hatte nach seinem Ausstieg aus dem Geschäft mit Mobiltelefonen im Jahr 2003 vergeblich versucht, sein technologisches Wissen an den damals dominierenden Handyhersteller Nokia zu verkaufen. Drei Viertel der 1165 Patente, die IPCom besitzt stammten von Bosch, ein Viertel wurde von der japanischen Firma Hitachi übernommen. Alle Patente betreffen den Mobilfunkbereich.

IPCom bezeichnet sich selbst als „Brücke zwischen Patententwicklern und Patentnutzern“. Immer wieder wird das Unternehmen aber vor allem in US-Medien als so genannter „Patent-Troll“ bezeichnet, also als eine Firma, deren wichtigster Existenzzweck es ist, mithilfe zusammenkaufter Patente entweder gerichtlich oder außergerichtlich millionenschwere Zahlungen zu erzwingen. Gegen diesen Vorwurf verwahre man sich, sagte ein Sprecher von IPCom. Solche Praktiken seien in Deutschland schwer möglich, weil man bei einer Niederlage alle Kosten tragen müsse, während in den USA unabhängig vom Ausgang des Verfahrens eine Hälfte dieses Betrages dem Beklagten aufgebürdet werde: „Sie haben allein wegen der Gerichtskosten in den Vereinigten Staaten schon mit einer wenig fundierten Klage ein Drohpotenzial.“

Bei großen Firmen kommt der juristische Streit aus der Mode

Die großen IT- und Internetfirmen, die sich auch gegenseitig schon seit Jahren mit Milliardenklagen überziehen, setzen indes in jüngster Zeit auf Deeskalation. So haben etwa Google und Samsung im Januar eine Übereinkunft geschlossen, sich gegenseitig für zehn Jahre Zugriff auf alle ihre bestehenden und künftigen Patente zu gewähren. Dazu gehören auch Technologierechte, die Google nach dem Verkauf seiner Motorola-Handysparte an den chinesischen Hersteller Lenovo behalten hat. Im Januar und Februar schloss Samsung Stillhalteabkommen mit Ericsson und Oracle. Apple und Samsung wiederum führen zurzeit Gespräche, um einen im März in den USA anstehenden Patentprozess zu vermeiden. Zum Umdenken beigetragen hat vor allem der enorme Zeitverlust, den solche Verfahren mit sich bringen – die damit auch Innovationen ausbremsen.

Auch die Gerichtskosten sind ein Argument. Allein in einem vorangegangenen Verfahren von Apple gegen den koreanischen Konkurrenten Samsung sind für die US-Firma 60 Millionen Dollar an Anwalts- und Gerichtskosten zusammengekommen. Apple versucht einen Teil davon nun von Samsung wiederzubekommen – ebenfalls vor Gericht. Eine Reform des US-Patentrechts, das die Praktiken von Patent-Trollen eindämmen soll, steht im US-Kongress zurzeit auf der Agenda. In den Patentverfahren stehen aber häufig deutsche Gerichte im Mittelpunkt. Hier sind die Gerichtskosten im Vergleich zu den USA niedriger. Zudem werden die Verfahren in der Regel auch schneller abgeschlossen.

Das Landgericht Mannheim war in den vergangenen Jahren eines der Gerichte weltweit, das am meisten mit solchen Patentstreitigkeiten zu tun hatte. Gleichzeitig mit der Entscheidung zu Apple lehnte das Gericht auch eine wegen desselben Patents eingereichte Klage von IPCom gegen den chinesischen Handybauer HTC ab. Zuvor hatte das Gericht ein Verfahren von Google gegen Apple an die EU-Kartellbehörden verwiesen. Ende 2012 war wiederum Apple der Kläger gewesen – und unterlag damals gegen Motorola und Google.

Der Kleinkrieg um technische Details

Erfolge –
Wenn Patentansprüche durchgesetzt werden können, dann ist damit viel Geld zu verdienen. Im vergangenen Sommer gelang der Patentverwertungsgesellschaft IPCom ein solcher Coup: Die Deutsche Telekom kaufte sich mit Lizenzgebühren in dreistelliger Millionenhöhe vom Rechtsstreit um einen Mobilfunkstandard frei. Zuvor hatte das Europäische Patentamt im zweiten Anlauf die Rechtmäßigkeit eines von IPCom erworbenen UMTS-Patents bestätigt – nachdem man das ein Jahr zuvor verneint hatte. Auch die Klage gegen Apple fußt auf dieser Entscheidung.

Verfahren –
Allein der Streit um dieses eine Patent führt bis in den Februar 2009 zurück, als IPCom erstmals gegen den Handyhersteller HTC juristisch zu Felde zog. IPCom selbst nennt in einer Übersicht nur zu dieser einen Patentfamilie 19 Urteile oder Verfahrensschritte vor Gerichten in Deutschland, Großbritannien oder der EU – darunter eine öffentlichkeitswirksame Beschlagnahmung von HTC-Handys durch den Zoll am Frankfurter Flughafen. Im April und Mai stehen die nächsten Etappen vor dem Landgericht München und dem Oberlandesgericht Karlsruhe an.

Streitpunkt
– Vor allem das US-Patentrecht hat in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme Ausdifferenzierung von Patentansprüchen erlaubt. So stecken in einem einzigen Smartphone bis zu 250 000 Patente auf Hardware und Prozesse. Insbesondere bei letzteren ist oft fraglich ist, ob diese tatsächlich schutzwürdig sind. Außerhalb der Smartphonewelt konnte der Online-Händler Amazon etwa schützen lassen, dass der Kunde auf der Webseite mit einem Klick zum Ziel kommt. Apple ließ sich 2013 vom Autoren signierte, elektronische Bücher patentieren