Eine stundenlange Vergewaltigung im eigenen Jugendzimmer – das soll einer jungen Frau in Bad Cannstatt widerfahren sein. Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, droht eine lange Haft.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Stuttgart - Das Schlafzimmer ist ein Rückzugsort, das eigentlich Sicherheit und Privatsphäre in Zeiten bieten sollte. Besonders in Zeiten des Erwachsenwerdens. Dieser Rückzugsraum einer 18-Jährigen soll von einem 35 Jahre alten Fremden, der laut Anklage durchs Fenster eingestiegen ist und sein Opfer drei Mal hintereinander vergewaltigte, massiv verletzt worden sein. Der wohnsitzlose Angeklagte wurde noch in der Tatnacht des 15. November 2015 von der Polizei erwischt und muss sich seit Donnerstag vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Bis jetzt schweigt der Angeklagte zu den Vorwürfen.

 

Es gibt kaum eine schlimmere Vorstellung, als um 4 Uhr morgens wie folgt geweckt zu werden: Ein wildfremder Mann steht plötzlich im Zimmer, das Opfer nur mit einem Slip bekleidet, der mutmaßliche Täter zieht der Frau die Bettdecke weg und zwingt sie unter Todesdrohungen zum Geschlechtsverkehr. Drei Mal, über zwei Stunden hinweg. Gegenwehr wurde mit Faustschlägen im Schulterbereich beantwortet – so die Schilderung der Staatsanwaltschaft zu dem, was sich in einer Wohnung im Stadtteil Bad Cannstatt zugetragen haben soll.

Besonders kaltblütig wirkt die Tat, weil der Angeklagte der jungen Frau zu allem Übel noch 55 Euro Bargeld und das Handy entwendet haben soll – und das Opfer nicht etwa alleine, sondern zusammen mit der Mutter und deren Lebensgefährten wohnt. Letzterer war es, der Geräusche im Zimmer wahrgenommen hatte und den Angeklagten bis zur Stadtbahnhaltestelle am Cannstatter Wilhelmsplatz verfolgte.

Mutmaßlicher Täter wehrt sich

Dort kam es zum Kampf zwischen Verfolger und Verfolgtem, wobei der Flüchtende seinen Jäger mit einem faustgroßen Stein verletzt habe. Doch der dadurch gewonnene Vorsprung half ihm nichts. Die bereits alarmierte Polizei traf ein und fasste den Mann, der die Beamten wüst beleidigt und sich – vergeblich – gegen seine Festnahme gewehrt haben soll. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

Die Gitterstäbe, dürfte der Angeklagte noch sehr lange jeden Tag zu sehen bekommen, sollte er schuldig gesprochen werden. Denn das Gericht hat klar gemacht, dass dem Mann im Fall einer Verurteilung nach gegenwärtiger Faktenlage zwischen siebeneinhalb und neuneinhalb Jahre Haft drohen dürften. „Wenn der Angeklagte im Schuldfall früh gesteht, um dem Opfer die Qual einer Aussage zu ersparen, könnte dies das Strafmaß etwas drücken“ fügt die Richterin hinzu.

Doch darauf will sich der Angeklagte nicht einlassen. Er sitzt gelassen auf der Anklagebank, verfolgt den Prozess aufmerksam, spricht mit ruhiger Stimme in klaren Sätzen. Allerdings nur zu seinen Lebensumständen, nicht zu den Vorwürfen direkt.

Er sei 2012 nur zum Arbeiten nach Europa gekommen, um für seine Frau und seine zwei Kinder in seiner Heimat sorgen zu können, nachdem die Wirtschaft in Tunesien durch die Revolution zusammengebrochen sei. Von Frankreich nach Deutschland sei er nur deshalb gekommen, weil der Angeklagte fürchtete, nach den Terroranschlägen in Paris aufgrund seiner Herkunft bei der Suche nach Arbeit benachteiligt zu werden. Einen festen Wohnsitz hat der Mann hier nicht.

Ob dieser für die nächste Zeit eine Justizvollzugsanstalt werden wird, hängt vom Urteil ab. Die Verhandlung wird am 2. März fortgesetzt.