Ein Mann muss sich nun vor Gericht verantworten, weil er eine 90-Jährige um mehr als 700 000 Euro betrogen haben soll. Der Angeklagte hatte Zugriff auf die Konten, weil er über eine Generalvollmacht verfügte.

Stuttgart - Ein 60-Jähriger steht seit Mittwoch vor der 8. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, von Dezember 2011 bis Mai 2015 in regelmäßigen Abständen – insgesamt 192-mal – Geld von den Konten einer heute 90 Jahre alten Frau ohne deren Einverständnis überwiesen und abgehoben zu haben. Der Angeklagte gibt zu, das Geld teilweise für persönliche Zwecke verwendet zu haben. Insgesamt handelt es sich um 770 035 Euro. Der Angeklagte hatte Zugriff auf die Konten, weil er über eine Generalvollmacht verfügte.

 

Der gelernte Fernmeldetechniker aus Stuttgart, der zuletzt in der Immobilienbranche tätig war, hatte die Dame aus Ludwigsburg 2010 in einem Seniorenstift kennengelernt, als er dort den Paten seines Stiefsohns besuchte. Er begann sich um sie zu kümmern. Innerhalb kurzer Zeit war das Verhältnis zwischen den beiden so gut, dass sie ihn nach seinen Angaben „als ihren eigenen Sohn“ ansah. Die Frau hatte zu dem Zeitpunkt keine noch lebenden Verwandten mehr, außer zwei entfernten Neffen in den USA und Ungarn. Diese sind im Testament als Erben eingesetzt. Eigentlich habe sie dieses zu seinen Gunsten ändern wollen, sagt der Angeklagte, doch das sei leider nie schriftlich festgehalten worden.

Bereits im September 2011 übernahm der Mann über seine Immobilienfirma die Verwaltung eines Hauses in Ludwigsburg, das der Dame gehörte. Ende November 2011 stellte sie dem Immobilienhändler eine Generalvollmacht, eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung aus. Im folgenden Monat gab er das Haus zum Verkauf frei. Im Frühjahr 2013 sei dieses für rund 310 000 Euro verkauft worden.

700 000 Euro sind nicht nur „Etwas“

Im Dezember flossen außerdem die ersten Geldbeträge von 50 000 und 55 000 Euro auf die Konten des Mannes. Er gibt an, die Dame habe ihm das Geld überwiesen, damit er sich ein Auto kaufen und sich gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau etwas Schönes leisten konnte. Außerdem habe die Seniorin ihm gesagt, er könne sich etwas von dem Geld nehmen, wenn er es brauche. In den folgenden vier Jahren bediente sich der Angeklagte laut Anklage 192-mal am Vermögen. „Etwas“ und mehr als 700 000 Euro seien freilich ein Unterschied, so die Richterin.

Die Geschädigte soll seit Mitte 2012 langsam dement geworden sein. Der Angeklagte habe sich daher intensiver um sie gekümmert. Heute ist die Seniorin nicht mehr vernehmungsfähig. Der Angeklagte erklärt, dass der Großteil des Geldes in die Renovierung seines Hauses geflossen sei. Er räumt zudem ein, dass er das Geld auch für sich verwendet habe.

2014, wenige Monate nach Abschluss der Renovierungsarbeiten am Haus, habe seine damalige Frau die Scheidung eingereicht. Seine Ex-Frau habe außerdem ein Schuldanerkenntnis vorgeschlagen. Darin habe aber nur sein Name stehen sollen. Er sei darauf nicht eingegangen, weil sie nach seiner Ansicht auch schuldig sei, da sie von der Herkunft des Geldes gewusst habe.

2015 wurden schließlich Strafanzeigen wegen Untreue gegen ihn gestellt. Der Angeklagte sitzt seit Ende März dieses Jahres in Untersuchungshaft. Der Prozess wird am 19. September fortgesetzt.