Das Landgericht Stuttgart hat eine Frau zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie ihren Bruder mit einer Gabel schwer verletzt hatte. Ein versuchter Totschlag sei es aber nicht gewesen, so die Richter.

Stuttgart - Verteidiger Markus Bessler will einen Freispruch. Seine Mandantin, die vor der 9. Strafkammer des Landgerichts des versuchten Totschlags an ihrem Bruder angeklagt ist, habe in Notwehr gehandelt. Der Mann habe auf seine Schwester eingeprügelt, sie habe sich verteidigt. Falls das Gericht es anders sehe, könne man die Angeklagte höchstens wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilen, so Bessler. Oberstaatsanwalt Matthias Schweitzer sieht es anders. Die 37-Jährige habe sich des versuchten Totschlags schuldig gemacht. Er beantragt vier Jahre Gefängnis.

 

Es ist der späte Abend des 21. Oktober vorigen Jahres. Die Angeklagte feiert mit ihrem Bruder in dessen Wohnung in Möhringen. Seine Mitbewohnerin ist ebenfalls da. Der Alkohol fließt in wohl ungesunden Mengen, was für das Trio aber nicht ungewöhnlich ist. Je höher der Promillewert steigt, desto mehr stichelt der 42-jährige Bruder gegen seine Mitbewohnerin. Die Schwester mischt sich ein, die Stimmung kippt – das Geschwisterpaar beginnt sich mit Fäusten zu traktieren. Die Angeklagte trägt Hämatome im Gesicht und am Körper davon, ihrem Bruder bricht sie das Nasenbein.

Die Frau hatte keinen Tötungsvorsatz

Die geschwisterliche Prügelei setzt sich in der Küche fort. Dort nimmt die Frau eine Fleischgabel und rammt sie ihrem Bruder erst in die Brust, dann in die Flanke. „Die Angeklagte erkannte, dass die Verletzungen potenziell tödlich sein konnten“, sagt der Vorsitzende Richter Jörg Geiger. Aber die 37-Jährige habe keinen Tötungsvorsatz gehabt. Zudem habe sie freiwillig aufgehört, weiter zuzustechen.

Nach der Attacke mit der spitzen, zweizackigen Fleischgabel ließ die Frau von dem Opfer ab, schnappte sich den Rest des Tetrapack-Weines und fuhr nach Vaihingen in ihre Wohnung. Die Mitbewohnerin alarmierte derweil die Rettungskräfte, der 42-Jährige überlebte. Die Polizei stellte später bei der Angeklagten mehr als zwei Promolle, bei ihrem Bruder über drei Promille Alkohol im Blut fest.

Hat die Frau in Notwehr zugestochen? „Nein, bei der Tat hat keine akute Angriffssituation bestanden“, sagt Richter Geiger. Er und seine Kollegen müssen sich in weiten Teilen auf die Aussage der Angeklagten verlassen. Denn der Bruder sagt, er könne sich alkoholbedingt an so gut wie nichts erinnern. Und die Mitbewohnerin sagt, sie sei bei der Attacke im Schlafzimmer gewesen, um ihren Hund zu beruhigen. Das nimmt ihr die Strafkammer zwar nicht ab, man könne es ihr aber auch nicht widerlegen.

Mit der Fleischgabel den „Frust rausgelassen“

Bei der Polizei hatte die Angeklagte, die nach eigener Aussage seit dem 15. Lebensjahr Alkohol trinkt, gesagt, sie habe in der Küche „das Ding genommen und meinen Frust rausgelassen“. Später hat sie ausgesagt, dass sie das Erstbeste genommen habe ,„und das war’s“.

Die Kammer verurteilt die Frau schließlich zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und sie verfügt, dass die Frau in einer Entziehungsanstalt untergebracht wird. Die psychiatrische Gutachterin geht davon aus, dass die 37-Jährige die Entzugstherapie erfolgreich bestehen könnte.